Jetzt bin ich überzeugt. Dieses Land ist am Ende. Wenn selbst die Rechtsanwälte am Hungertuch nagen, dann gibt es keine Perspektive mehr.
„Der durchschnittliche deutsche Anwalt verdient nur noch € 1.511,51 im Monat“, wettert der Standesvertreter auf einer Versammlung, zu der ich mich leichtfertig angemeldet habe.
„Unser Beruf ist nur noch mit einem hohen Maß an Selbstausbeutung wahrzunehmen“, schimpft der Funktionär. Obwohl Michel-Anwalt wacker und quasi rund um die Uhr Mieter rettet, Ehen scheidet und Verkehrsunfälle reguliert, bleiben ihm gerade anderthalb tausend Euro am Monatsende. Wer es nicht glaubt, kann es nachlesen: in der offiziellen Verelendungs-Statistik der Bundesrechtsanwaltskammer.
„Soviel verdient meine Bürovorsteherin“, lächelt der Anwaltskollege neben mir. Er wirft einen Blick auf seine Breitling, weil ihn interessiert, wie lange es noch bis zum interessanten Thema dauert.
Mir fällt auf, dass auch meine Sekretärin fast soviel verdient wie ich, rein statistisch gesehen. Das ist in höchstem Maße ungerecht, weil sie manchmal nach mir kommt und pünktlich um 16.30 Uhr auf die Sonnenbank geht, damit sie ausreichend Vorbräune für die anstehenden 2 Urlaubswochen hat. Ich dagegen muss bis in den Abend in Akten starren. Und ein Blogthema habe ich um die Uhrzeit meistens auch noch nicht.
Wenn es so weiter geht, schimpft sich unser Funktionär in Fahrt, dann lohne sich die Tätigkeit als Anwalt nicht mehr. „Dann könnte man auch als Kellner arbeiten.“ Das unterscheidet den Funktionär vom aktiven Anwalt. Der Praktiker weiß, dass es keinen Kellner gibt, der für so einen Lohn überhaupt an den Start gehen würde. Dementsprechend groß ist die Erheiterung im Saal.
Am Ende der Veranstaltung strömen wir auf den Parkplatz, steigen in unsere BMW, Daimler, Alfa und Porsche, lassen, sofern möglich, die Verdecke herunter und düsen zurück in unsere düsteren Büros, um noch rasch aufzuräumen, bevor der Gerichtsvollzieher wegen Mietrückständen kommt.
Wie gesagt: Deutschland ist am Ende. Statistisch gesehen…