Nehmen wir an, einem Ehemann wird dessen Lieblingsstuhl von der Ehefrau beschädigt. Den wird sie flicken lassen müssen. Streng genommen auf ihre Kosten. Aber hat der Ehemann finanziellen Anspruch auf Ausgleich dafür, dass er während der Reparaturzeit auf sein Lieblingsstuhlsitzgefühl verzichten muss?
Nein, sagt der gesunde Menschenverstand. Und noch mal nein, zumal der Ehemann wenigstens noch eine andere Möglichkeit hat, sich zu bequem platzieren. Aber siehe! Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf (OLG) hat in einem ähnlichen Zusammenhang völlig anders entschieden. In diesem ungewöhnlichen Fall ging es allerdings um einen Feuerstuhl. Ein Mann aus dem Raum Duisburg ist stolzer Eigentümer eines Motorrades. Nicht allerdings eines schnöden Zweirades mit einem Motor dran. Dem Mann gehört eine Harley Davidson Electra-Glide FLHTI (unter Fachleuten: so ein Gerät ist in neuem Zustand kaum unter 17.200 Euro zu haben).
Dieses, sagen wir mal ruhig: Luxus-Utensil fuhr ihm die Ehefrau ein bisschen kaputt. Deren Haftpflichtversicherung wollte zwar den Schaden regulieren, hielt aber eine andere Forderung des Harley-Halters nicht nur für völlig überzogen, sondern für geradezu grotesk. Der Mann forderte für jeden Tag, den die Reparatur dauerte, eine „Nutzungsausfallentschädigung“ von 66 Euro.
Weil die Operation der Edel-Maschine 78 Tage lang dauerte (die Beschaffung und Lieferung der Ersatzteile aus den USA brauchten ihre Zeit) macht das insgesamt 5.148 Euro. Weil die Versicherung sich beharrlich weigerte und immer wieder gerne auf den speziellen Umstand hinwies, der Mann habe ja auch noch ein Auto, mit dem er sich von A nach B bewegen konnte – deswegen sollte das Landgericht Duisburg den Streit entscheiden.
Und das tat es auch. Sinn und Zweck einer Nutzungsausfallentschädigung sei es, dem Geschädigten die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit auszugleichen. Eine solche Einengung habe es jedoch – da war ja noch das Auto – nicht gegeben. Sicher, dem Mann sei sein Fahrspaß entgangen. Das sei aber keine „fühlbare vermögensrechtliche Entbehrung“. Mit anderen Worten: Für eingebüßte Lust gibt es kein Geld.
Motorräder heulen nicht, wenn etwas schief läuft. Was also kann einen Harley-Fahrer schon erschüttern? Er schaltete lieber in den nächsten Gang. Und diese Berufung brachte ihm vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf den Erfolg, einen rechtskräftigen dazu (Aktenzeichen: I-1 U 198/07).
Der 1. Senat kürzte ihm zwar ein Drittel seiner Forderung. Denn: Bei schlechter Witterung wäre das „exklusive Motorradfahrzeug“ im Stall geblieben. In der restlichen Zeit aber, so erkannten die Richter, wäre die Harley mit ihrem Eigentümer unterwes gewesen. Waren beide aber nicht. Tja, und deswegen bekam der Mann 3 432 Euro zugesprochen. Zu zahlen von der Haftpflichtversicherung der Ehefrau.
In dem achtseitigen Urteil heißt es zur Begründung: Wer glaubt, ein Auto ersetze eine
Harley, „verkennt die Lebenswirklichkeit“. Denn: Die Benutzung des „besonderen Fahrzeugs“ bietet ein „völlig anders geartetes Fahrgefühl“. Das sei fühlbar entgangen.
Nur der letzte Satz auf der Internet-Seite „harleyman.de“ geht noch weiter als das Urteil: „Harleyfahren“, so heisst es dort, „ist keine Frage des Geldes oder eine Wertanalyse. Hier geht es um Persönlichkeit, Charakter und Ehrgefühl. Es ist“, so geht es wörtlich weiter, „eine Berufung, eine göttliche Eingabe“.
Bliebe noch das gesetzlich vorgeschriebene Beratungsgeheimnis der Richter zu erwähnen. Wohl nur dessen Offenbarung könnte klären, wer im 1. Zivilsenat des Obe rlandesgerichts Düsseldorf was fährt. Und damit die Frage beantworten, wessen Herz da für Harley-Fahrer schlägt… (pbd)