Ein Bild aus dem Alltag: Ein Mann aus Dormagen fährt mit durchschnittlicher Geschwindigkeit auf einem üblichen Fahrrad ohne Schutzhelm durch Neuss. Weil ihm eine Fußgängerin auf dem Radweg quer kommt, muss er plötzlich bremsen, stürzt kopfüber aufs Pflaster und verletzt sich dabei ziemlich. Jetzt sprach ihn der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf von jeder Mitschuld frei: Im Gegensatz zu Rennradfahrern musste der Mann keinen Helm tragen.
Mit diesem Urteil (I -1 U 278/06) wächst seine Chance auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. Beides verlangt er von der Frau, war jedoch beim Landgericht Düsseldorf gescheitert. Das hatte ihm noch eine Mitschuld von 70 Prozent angerechnet. Ausgerechnet der 1. OLG-Senat sieht das nun völlig anders. Der hatte noch im Februar einem 67-jährigen Hobby-Rennradfahrer den fehlenden Helm übel angerechnet. Dieses Hin und Her erklärte der Senat gestern mit seiner „differenzierten“ Sichtweise. Mit Blick auf die völlig unterschiedlichen Fahrweisen und die damit einhergehenden Gefahren und Risiken sei es geboten, eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Radfahrergruppen vorzunehmen und dabei auch die Verkehrssituation zu berücksichtigen.
Radelt also jemand auf einem städtischen Radweg? Oder außerhalb auf einer womöglich stark befahrenen Straße? Dem herkömmlichen Radfahrer jedenfalls ist kein Vorwurf zu machen – wenn er sein Rad als normales Fortbewegungsmittel nutzt und keine sportliche Ambitionen entwickelt. Außerdem sei, so der Senat, sei beim Gros der Radler das Unfallrisiko und das Ausmaß der Eigengefährdung deutlich geringer als bei Rennradfahrern. Ganz so sicher sind die Richter sich allerdings nicht. Sie ließen die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Der soll die Frage der „Sorgfaltspflicht“ demnächst abschließend prüfen. (pbd)