Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat in den letzten Tagen erkannt und sogleich verkündet, weder die deutsche noch die internationale Rechtsordnung seien den Gefahren durch den Terrorismus gewachsen. Eine bahnbrechende wenngleich unbelegte Behauptung. Nun wendet sich der Politiker der Geschichte zu. Im ZDF erklärt er uns, wie es zum Dritten Reich gekommen ist:
Im vergangenen Jahrhundert ist die Freiheit einmal verloren gegangen, weil die Menschen den freiheitlichen Verfassungsstaat diffamiert haben, es sei eine Schwatzbude und er könne die Menschen nicht schützen.
So was haben weniger die Menschen behauptet. Sondern eher die Nationalsozialisten und ihre Steigbügelhalter. Aber haben die Nationalsozialisten damit gemeint, die Weimarer Republik sei für die Bevölkerung gefährlich? Gefährlich im Sinne eines islamistischen Terrorkommandos? Bislang gab es eigentlich einen anderen Konsens über die Ursachen. Zum Beispiel die schlechte Wirtschaftslage, verbunden mit dem kollektiven Gefühl, in Folge des Ersten Weltkriegs als Nation außenpolitisch geknechtet zu sein, dies wiederum kombiniert mit einem weitverbreiteten, seit der Dolchstoßlegende gut geschürten Widerwillen gegen die junge Demokratie.
Schäubles Aussage ist Geschichtsklitterung. Aber gutgemeinte, natürlich. Womöglich hat der Datenroboter im Ministeriumsarchiv auch nur die Geschichtsbücher gefressen. So was kommt vor, erleichtert die Irreführung aber enorm.
Jedenfalls werden es „die Menschen“, die heute den freiheitlichen Verfassungsstaat diffamieren, viel leichter haben als die Nazis. Sie können sich nämlich der Schäubleschen Innovationen – Überwachung, Internierung, Isolierung, Polizeiwillkür – bedienen, sollten sie an die Macht kommen. Mit den dann vorhandenen Instrumenten lässt sich der freiheitliche Staat wegfegen wie die Krümel eines Frühstücksbrötchens.
Vorausgesetzt natürlich, Schäuble und seine Adepten haben überhaupt noch Krümel übrig gelassen.