Ein Richter unterstellte mir einen Interessenkonflikt. Was war geschehen? Ich verteidigte einen Angeklagten. Hauptbelastungszeuge war jemand, den ich auch schon mal vertreten hatte. Dieser Zeuge hatte vor Jahren bei der Polizei sich selbst und seinen halben Bekanntenkreis belastet. Bevor er mich anrufen durfte. Jetzt konnte er sich aber nur noch erinnern, damals unter Druck gesetzt worden zu sein. Ob mein heutiger Mandant etwas mit der Sache zu tun habe, daran erinnere er sich nicht mehr. Außerdem wolle er sich auf keinen Fall (erneut) selbst belasten.
Der Richter nahm den Zeugen ganz schön in die Zange. Ich habe mich eingemischt und die Auffassung vertreten, der Zeuge habe sehr wohl ein Auskunftsverweigerungsrecht. Außerdem habe ich dem Zeugen empfohlen, sich nicht unter Druck setzen zu lassen. Er solle sich einen Anwalt als Zeugenbeistand zu nehmen.
Der Richter kam dann mit dem Interessenkonflikt. Ich sehe noch nicht mal gegensätzliche Interessen. Dass der Zeuge nichts sagt, ist voll und ganz im Interesse meines Mandanten. Denn ohne Aussage des Zeugen kann er in dieser Angelegenheit nicht verurteilt werden.
Der Zeuge erklärte dann schlauerweise, er sage jetzt gar nichts mehr. Wenn er wieder geladen werde, komme er mit einem Anwalt. „Der Herr Vetter kann mir sicher einen vermitteln.“ Der Richter guckte mich an. Ich sagte: „Selbstverständlich kann ich einen Anwalt empfehlen.“
Der Richter war sich dann nicht zu schade dafür, selbst dies aufs Korn zu nehmen. Schon in der Tatsache, dass ich einen Anwalt empfehle, liege womöglich ein Interessenkonflikt. Da war dann aber doch der Punkt gekommen, wo die Sache nicht mehr witzig war. Auch einem Richter sollte klar sein, dass es dem Zeugen völlig freisteht, einer Empfehlung von mir zu folgen. Oder auch nicht. Und dass auch ein von mir empfohlener Anwalt natürlich verpflichtet ist, den Zeugen nach Kräften zu unterstützen.
Ich habe angedeutet, dass ich solche Anmerkungen als Beeinträchtigung der Verteidigung betrachte. Und langsam zweifle, ob der Vorsitzende die Sache noch hinreichend neutral sieht. Von da an ging es wieder.
Aber nach einer Verhandlungspause fragte der Richter den Zeugen noch zweimal, welchen Anwalt ich ihm denn gerade draußen auf dem Flur empfohlen hätte. Der Zeuge umging die vermeintliche Falle souverän. Er sagte, dass er erst einmal mit den Anwälten Kontakt aufnehmen will, bevor er ein Mandat erteilt. Vorher wolle er doch lieber keine Namen nennen.
Ich muss jetzt mal gucken, wer für diese Sache in Frage kommt. Ein bisschen biestig darf schon sein, würde ich sagen.