Die Süddeutsche Zeitung fasst die neueste Öffentlichkeitsfahndung des Bundeskriminalamts zusammen:
Die Aktion war erfolgreich – und dennoch freuen sich die Fahnder nur begrenzt darüber. Die gute Nachricht: Das Mädchen lebt, es ist unverletzt. Die weniger gute Nachricht: Jeder kennt jetzt sein Aussehen und den traurigen Umstand, dass es sich freiwillig zu Sexposen für einen Internetpäderasten zur Verfügung stellte, wenn man denn bei einem 11-jährigen Kind von Freiwilligkeit sprechen kann.
Wer hat eigentlich den Bielefelder Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart dazu gezwungen, die für das Kind und dessen Familie so demütigenden Details herauszuposaunen? So laut, dass es für 73 Treffer bei Google News sowie unzählige Fernseh- und Radioberichte langt?
Weniger wäre mehr gewesen. Das Mädchen ist gefunden. Es geht ihm gut. Nähere Details werden nicht genannt, um laufende Ermittlungen nicht zu gefährden. Außerdem gebieten es die Persönlichkeitsrechte des Kindes und seiner Familie, Zurückhaltung zu üben. Wir appellieren an die Medien, die Privatsphäre der Betroffenen ebenfalls zu achten.
Natürlich hätte die Gefahr bestanden, dass sich die eine oder andere Zeitung und manches Fernsehmagazin nicht mit diesen Informationen zufriedengibt. Andererseits hätten diese bei Veröffentlichung weiterer Details vor Gericht einen schlechten Stand gehabt, wenn die Betroffene auf Unterlassung und Schmerzensgeld klagt.
Gegenüber der Bloßstellung durch die Staatsanwaltschaft ist das Kind zwar auch nicht schutzlos. Klaus Esser hat es mit seiner Klage vorgemacht. Allerdings wird selbst ein Schmerzensgeld nicht aufwiegen, was dem Kind auf seinem weiteren Weg alles noch begegnen wird.
Bei der Entscheidung, wie die Öffentlichkeit informiert wird, hätte eigentlich ein Blick in die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren gereicht:
Ziff. 4c Rücksichtnahme auf den Verletzten
Der Staatsanwalt achtet darauf, daß die für den Verletzten aus dem Strafverfahren entstehenden Belastungen möglichst gering gehalten und seine Belange im Strafverfahren berücksichtigt werden.Ziff. 23 Zusammenarbeit mit Presse und Rundfunk
(1) Bei der Unterrichtung der Öffentlichkeit ist mit Presse, Hörfunk und Fernsehen unter Berücksichtigung ihrer besonderen Aufgaben und ihrer Bedeutung für die öffentliche Meinungsbildung zusammenzuarbeiten. … Auch ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten oder anderer Beteiligter, insbesondere auch des Verletzten, überwiegt. Eine unnötige Bloßstellung dieser Person ist zu vermeiden.
Diese Richtlinien sind bindend. In der Theorie.