Böser Anwalt – oder auch nicht

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat einen Strafverteidiger angeklagt, weil dieser seine Arbeit gemacht hat.

Der Anwalt verteidigte einen Mann, dem Kindesmissbrauch vorgeworfen wurde. Im Rahmen der Ermittlungen beauftragte die Staatsanwaltschaft eine Diplom-Psychologin mit einem Glaubhaftigkeitsgutachten. Der Anwalt zweifelte an den Ergebnissen des Gutachtens. Da er selbst keine großartigen eigenen Fachkenntnisse zur Aussagepsychologie hat, schickte er das Gutachten an einen Psychologie-Professor mit dem Auftrag, das Gutachten auf Fehler zu prüfen.

Darin sah die Staatsanwaltschaft Hamburg eine Verletzung von Privatgeheimnissen (§203 StGB). Der zuständige Strafrichter zerpflückt diese Sicht aber mit wenigen Argumenten. Er weist darauf hin, dass die anwaltliche Schweigepflicht auf jeden Fall auch das Kanzleipersonal umfasst – sonst müsste der Anwalt ja alles selbst machen. Die Berufsordnung für Rechtsanwälte erweitert die Schweigepflicht aber auch auf externe Hilfspersonen. Damit sind natürlich in erster Linie Sachverständige gemeint, aber etwa auch Privatdetektive. Außerdem haben Kanzleipersonal und diese sonstigen Hilfskräfte sogar ein ausdrückliches Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO. Dort werden sie „mitwirkende Personen“ genannt.

Somit durfte der Rechtsanwalt den Professor zu Rate ziehen, weil sich seine Schweigepflicht auch auf diesen erstreckt. Insofern hat der Anwalt nicht „unbefugt“ ein Geheimnis verraten. Darauf hätte man bei der Staatsanwaltschaft eigentlich auch selbst kommen können (Aktenzeichen 3320 Js 120/22).