Ein ganz normaler Tag am Amtsgericht

Zu den Klassikerin im Anwaltsgeschäft gehört die Reise zu einer Hauptverhandlung, von der man als Verteidiger weiß, dass sie zwar stattfinden kann, aber irgendwann auf jeden Fall komplett wiederholt werden muss. Das ist immer der Fall, wenn das Gericht den sogenannten Eröffnungsbeschluss vergisst. Kommt gar nicht so selten vor, deshalb lohnt es sich immer darauf zu achten. Der fehlende Eröffnungsbeschluss führt ohne jedes Pardon zur Nichtigkeit der gesamten Hauptverhandlung – durch alle Instanzen.

Ich hatte nun mal wieder mit so einem Fall zu tun. Eine Ladung zum Termin gab es. Aber eben keinen Eröffnungsbeschluss. Allerdings hatte die Richterin den Fehler wohl bei der Vorbereitung des Falles noch bemerkt. Denn sie wies von sich aus darauf hin, verkündete salopp den Eröffungsbeschluss und wollte in die Verhandlung eintreten. Nun ja, flottes Tempo, aber was ist mit den Rechten des Angeklagten? Natürlich kannst du als Anwalt da brav die Klappe halten. Musst du aber nicht.

Fehlt der Eröffnungsbeschluss, sind nämlich die Ladungsfristen juristisch nicht eingehalten, auch wenn es eine schriftliche Ladung gibt. Denn wegen der fehlenden Zustellung des Eröffnungsbeschlusses, die zwingend vorgeschrieben ist, ist die Ladungsfrist (mindestens eine Woche) formal nicht in Gang gesetzt worden. Das hat zur Folge, dass der Angeklagte die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen kann. Über dieses Recht hätten wir sogar belehrt werden müssen, und erst dann hätten wir auf eine Einhaltung der Ladungsfrist verzichten können – wobei die Betonung wie gesagt auf können liegt.

So eine Situation ist natürlich ein guter Einstieg für ein Gespräch darüber, ob man die Sache nicht sozialverträglich erledigen kann. Zum Beispiel durch Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage. Das hätte hier sogar nahegelegen. Aber wie so häufig stellte sich die Staatsanwaltschaft quer und legte Wert darauf, erst mal die Zeugen zu hören. Wie sich herausstellte, waren die fünf Zeugen bis auf einen aber gar nicht erschienen. Jetzt hätte man sowieso nur noch verhandeln können, wenn mein Mandant sich zur Sache äußert. Denn ohne Zeugen bzw. Geständnis natürlich keine Verurteilung. Ich lasse meinen Mandanten aber natürlich nichts sagen, wenn die Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens schon kategorisch abgelehnt hat. Damit war der Tag dann aber auch wirklich zu Ende.

Nächster Gerichtstermin: in einigen Monaten.