Die Polizei in Mönchengladbach löste am Samstag eine Geburtstagsfeier in einer Kleingartenanlage auf. Eine Nachbarin hatte gehört, wie Gäste das Lied „L’amour toujours“ mit dem Text „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ unterlegten. Angeblich hat die Nachbarin das gehört, muss es korrekt heißen. Denn an der Aussage der Frau gibt es mittlerweile Zweifel.
Die Polizei macht jedenfalls ein riesiges Fass auf. Die Party wurde nicht nur gesprengt, jetzt laufen auch umfangreiche Ermittlungen. Die Namen aller Gäste wurden notiert, alle werden mutmaßlich zur Zeugenaussage bzw. Beschuldigtenanhörung geladen. Überdies werden Nachbarn über die Medien aufgerufen, sich zu melden. Einige Gäste der Feier haben bereits mit der Presse gesprochen. Drei Gäste erklärten der Rheinischen Post, es habe keine rassistischen Gesänge gegeben. „Wenn ich so etwas gehört hätte, hätte ich die Party sofort verlassen“, zitiert die Zeitung einen Teilnehmer.
Interessanterweise haben die herbeigerufenen Polizisten selbst keine rassistischen Sprüche gehört. Ein „Beweis“ könnte also nur über die Gäste geführt werden. Jeden von denen steht aber zumindest ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, weil sie sich nicht selbst belasten müssen. Schon die Angabe, auf der Party gewesen zu sein, begründet nämlich einen Anfangsverdacht, mitgesungen zu haben. Oder die Sprüche durch Anwesenheit unterstützt zu haben. Was man, wenn man es schon mit deutscher Gründlichkeit ausermitteln will, als Beihilfe zur denkbaren Volksverhetzung werten könnte. Jedem Teilnehmer steht also ein Schweigerecht zu. Das gilt natürlich erst recht für den Fall, dass die Polizisten alle angeblichen Gäste als Beschuldigte betrachten, was aus meiner Sicht korrekter wäre. Beschuldigte müssen bekanntlich sowieso nichts sagen.
Und selbst wenn der eine oder andere sich äußert, wird es eher in die Richtung gehen: „Ich habe da zwar was gehört, aber selbst gesungen habe ich nicht.“ Von daher bin ich mir sehr sicher, dass man beim Mönchengladbacher Staatsschutz derzeit überlegt, die Sache zu eskalieren. Warum nicht die Handys aller Teilnehmer beschlagnahmen? Der eine oder andere Gast wird ja gefilmt haben. Warum nicht eventuelle WhatsApp-Gruppen durchforsten, jemand wird ja was gepostet haben. Am Ende führen wir dann wieder die altbekannte Debatte, ob die für solche Maßnahmen erforderlichen Hausdurchsuchungen, man braucht ja ein Überraschungsmoment, verhältnismäßig waren.
Zumal es bislang noch keineswegs ausgemacht ist, dass solche Gesänge á la Sylt überhaupt strafbar sind. Das Bundesverfassungsgericht sagte im Jahr 2010 schon mal: eher nein. Dabei ging es um um die Parole „Ausländer raus“ auf Wahlplakaten. Allerdings verurteilte das Landgericht Magdeburg 2017 einen Angeklagten wegen Volksverhetzung, weil er auf einer Demonstration die Parole „Ausländer raus“ angestimmt hatte.
Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat erst vor knapp zwei Wochen ein Verfahren eingestellt, als auf einem Faschingsumzug der Landjugend solche Parolen zu hören gewesen sein sollen. Die Staatsanwaltschaft sah keinen hinreichenden Tatverdacht. Sie bezog sich darauf, dass Volksverhetzung mehr voraussetzt als die Kundgabe bloßer Ablehung und Verachtung gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen. Der Straftatbestand sei nur erfüllt, wenn zu Hass oder Gewalt aufgestachelt oder tatsächlich die Menschenwürde von Ausländern verletzt wird. Selbst wenn also im Kleingarten so etwas gesungen wurde, steht noch lange nicht fest, dass es auch eine Straftat war. Die Kriminalstatistik für „Hassdelikte“ wird sich durch die absehbaren Fälle landauf landab aber auf jeden Fall aufblähen. Für interessierte Kreise ist ja schon das ein willkommener Effekt.