Von EBERHARD PH. LILIENSIEK
Die „Anordnung über die Amtstracht bei den ordentlichen Gerichten“ vom 5. Februar 1963 kennt keine Hitzeperioden. Ohne Gnade schreibt sie vor, was die 3 713 Richter, die 1 347 Amts- und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen auch im Hochsommer bei Verhandlungen und Verkündungen zu tragen haben: „Die Amtstracht besteht aus einer Robe von schwarzer Farbe“. Dazu gehören völlig verbindlich „ein weißes Hemd mit einem weißen Langbinder“.
Zum Tragen dieser Montur samt Krawatte sind auch, ohne Ausnahme, die rund 35 000 Anwälte im Lande verpflichtet. Oben ohne ist verboten. Die meisten Anwälte halten sich daran. Eine Stimme: „Ich beiße die Zähne zusammen und ertrage den Schweiß!“
Das muss der Jurist aber gar nicht. Denn die Anordnung kennt, durch die Hintertür, eine Ausnahme. Sie heißt: „Ob es angemessen ist, die Amtstracht zu tragen, bestimmt der die Amtshandlung leitende Richter“. So einer kann aber schon mal, wie vor kurzem geschehen, bissig werden. Bei einer Scheidungsverhandlung erschien ein Anwalt im Polo-Shirt. Ob man denn ins Freibad gehen wolle, raunzte der Richter.
„Der Anwalt ist Organ der Rechtspflege“, erinnert Susanne Offermann-Burckard, die Hauptgeschäftsführerin der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf. Sie zitiert dann aber aus § 20 der Berufsordnung. Die Verpflichtung zum Tragen der Robe bestehe, „soweit das üblich ist“. Auf solchen Umwegen kann auch den triefnassen Anwälten geholfen werden – die Haltung des Richters gilt.
Wolfram Schnorr ist einer seit Jahrzehnten. Entsprechend weise reagiert er: „Ich habe für Ordnung im Saal zu sorgen. Die ist nicht gewährleistet, wenn ein Notarzt kommen müsste“. Schnorr macht es noch deutlicher: „Gesundheit geht der preußischen Kleiderordnung immer vor“. Bei ihm genügt eine Anregung, danach stellt er die Bekleidungsauswahl frei.
Strenger dagegen geht es für Bedienstete des allgemeinen Justiz-Vollzugsdienstes zu. Eine „Dienstkleidungsvorschrift“ schreibt etwa „schwarze Schuhe und Socken in dunkler Farbe“ vor. Nur in der warmen Jahreszeit ist das Tragen von schwarzen Sandalen gestattet, die „an den Fußspitzen und Fersen geschlossen“ sind. Wie dieser heiße Widerspruch aufzuklären sein könnte, erwähnt die Vorschrift nicht. Denn laut Lexikon ist die Sandale ein „flacher, offener Schuh mit Lederriemen“. (pbd)