Zu den unerfreulichsten Gefühlen bei der Lektüre eines Strafurteils gehört die Erkenntnis, dass Anwalt und Richter anscheinend an unterschiedlichen Verhandlungen teilgenommen haben. Leider ist das Gefühl gar nicht so selten, so dass ich eine Gesetzesinitiative uneingeschränkt begrüße: Künftig sollen Hauptverhandlungen in Bild und Ton aufgezeichnet werden, außerdem soll es ein vollständiges Transskript geben. Sogar komplett virtuelle Verhandlungen sind dann zumindest denkbar.
Das Bundesjustizministerium hat nun den Gesetzesentwurf vorgelegt. Am auffälligsten daran ist, wie wenig Eile man schon jetzt bei der Umsetzung hat. Die digitale Dokumentation der Hauptverhandlung soll flächendeckend erst ab dem Jahr 2030 Vorschrift sein. Lediglich die Staatsschutzsenate der Oberlandesgerichte, wo ja zahlenmäßig eher wenig Prozesse stattfinden, sollen ab 2026 ausgerüstet sein.
Bis dahin haben die Länder weitgehende Freiheiten. Es könnte also mit weiteren Verzögerungen zu rechnen sein, wie es sich ja auch bei einem anderen großen Projekt, der Einführung elektronischen Ermittlungsakte, gezeigt hat. Ich selbst gehe eher nicht davon aus, dass ich noch großartig von der Neuerung profitiere. Im Jahr 2030 bin ich 66 Jahre alt…