Prozesskostenhilfe auf dem Prüfstand

Von EBERHARD PH. LILIENSIEK

Bevor der Staat einem Bürger finanziell hilft, einen anderen zu verklagen, wird amtlich geprüft: Ist der Kläger überhaupt bedürftig, wird die Klage zur Durchsetzung von Ansprüchen auch notwendig sein und hat sie eine Aussicht auf Erfolg? „So soll es ein“, sagt Ulrich Hermanski vom Landes-Justizministerium, „so ist es aber nicht“. Denn die kontrollierenden Richter sind schon mal eher lässig, sie haben auch nicht alle erforderlichen Befugnisse oder sie werden belogen und damit der Staat betrogen.

„Die Prozesskostenhilfe läuft aus dem Ruder“, stöhnt und warnt denn auch Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU). Von 1998 (86 Millionen Euro) sind bis 2004 die Ausgaben um 31 Prozent auf fast 113 Millionen Euro gestiegen. Deswegen will die Ministerin jetzt streng durchgreifen und – mit Hilfe des Bundesrates – die Bestimmungen in der Zivilprozessordnung (ZPO) ändern lassen.

Ihr ist dabei ein Fall aus Gütersloh bekannt, der für Aufsehen sorgt. Eine Frau, angeblich arm, wollte eine Prozesskostenhilfe für den Scheidungsprozess haben. Bevor die übliche schmutzige Wäsche gewaschen wurde, wirbelte ein anonymes Schreiben den Dreck schon auf. Tatsächlich fuhr die 47-Jährige ein neues Auto der Marke Mercedes, sie hatte sich bei einem Schönheitschirurgen operieren lassen und besaß eine Kapitallebensversicherung. Die hätte sie zur Prozessführung beleihen müssen, befand Amtsgerichtsdirektor Edmund Rammert. Doch seine Kollegen urteilten nach ihrem Ermessen – die Steuerzahler hatten die Scheidungskosten zu zahlen.

So nicht, meint die Ministerin. Selbstverständlich sei es wichtig, das betont Müller-Piepenkötter, jedermann den gleichen Zugang zu den Gerichten zu verschaffen (was früher diskriminierend „Armenrecht“ genannt wurde). Hier folgt gleich mehrfach ein „aber“. Die Ministerin will gesetzlich klarstellen lassen, dass Prozessbeteiligte erstmal einen Bankkredit in Anspruch nehmen sollen. Wenn das nicht geht, könne die Hilfe vom Staat gezahlt werden. Dem soll es dann über den Richter aber auch möglich sein, die Konten der Antragssteller abzufragen – also dessen wirtschaftliche Verhältnisse aufzuklären. Das dürfen Sozialämter bekanntlich schon. Die Richter aber nicht, obwohl die Prozesskostenhilfe eine Sozialleistung ist.

Schließlich soll die Art und Weise der Rückzahlung verschärft werden. Bislang sieht die ZPO höchstens 48 Raten vor. Diese Beschränkung soll ganz entfallen. Und: Die Höhe der Raten muss neu bestimmt werden. Das bedeutet im Ergebnis, dass im „Rahmen der Zumutbarkeit“ die Teilbeträge künftig angehoben werden können. Der Rotstift ist angesetzt, die Diskussion aber noch offen. Der Bundesrat hat seine Initiative der Bundesregierung zugeleitet, die hat noch zwei Wochen Zeit zur Stellungnahme an den Bundestag. Auf dessen Zustimmung hofft Justizministerin Müller-Piepenkötter inständig: „Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen könnte sichergestellt werden, dass die Kosten nicht weiter ansteigen. Sondern sinken.“ (pbd)