Wenn man sich vor Gericht gegen eine Geldstrafe wehrt, muss man zumindest als Normal- oder gar Besserverdiener immer einen wichtigen Punkt im Auge haben. Bei 99,9 % der Beschuldigten ist dem Staatsanwalt und Richter völlig unbekannt, was der Beschuldigte verdient. Die Justiz hat zwar das Recht, den Verdienst zu recherchieren. Das ist aber natürlich vom Arbeitsaufwand her nur in Ausnahmefällen zu schaffen. Vielmehr wird im Ermittlungsverfahren und auch später vor Gericht bundesweit – erlaubterweise – geschätzt. Was letztlich darauf hinausläuft, dass Strafverfolger bei Herrn und Frau Mustermann das Monatsnetto auf irgendwas zwischen 1.000 und 1.500 Euro festlegen.
Geschätzt eher zu niedrig – die Justiz will ja keine Einsprüche gegen Strafbefehle provozieren, sondern die Dinger rechtskräftig werden lassen. Ein aktueller Fall illustriert sehr schön, wie die Dynamik läuft. Es geht um den sehr erfolgreichen Gründer einer Modefirma, der in Hamburg angetrunken auf einem E-Scooter gefahren sein soll. Die Geldstrafe setzte das Gericht auf 30 Tagessätze á 50 Euro fest. Mit 1.500 Euro wäre die Sache also zu Ende gewesen.
Der Betroffene legte aber Einspruch ein, sicherlich auch wegen seines einkassierten Führerscheins. Der Richterin scheint aber zu Ohren gekommen zu sein, um wen es sich bei dem Herrn handelt, nämlich einen millionenschweren Unternehmer. Sie kam auf ein anderes Monatseinkommen und legte den Tagessatz auf 2.670 Euro fest. Der Beschuldigte zahlt nun mit dem Faktor 50 + mehr, als wenn er den Strafbefehl akzeptiert hätte. Laut Berichten ist er aber beim Fahrverbot deutlich besser weggekommen, was ja meist ausschlaggebender ist als die Kosten.
Den Gap zwischen geschätztem und tatsächlichem Einkommen sollte man aber auf dem Schirm haben, wenn man sich gegen einen Strafbefehl wehrt. Übrigens ist nach einer kürzlichen Gesetzesnovelle bei der Höhe der Geldstrafe noch deutlich Luft nach oben. Der Tagessatz kann bis zu 30.000 Euro betragen (§ 40 StGB), was einem Monatsnetto von einer runden Million Euro entspricht.