Zwei über 70-jährige Frauen haben den Klimaschutz in Schleswig teilweise selbst in die Hand genommen. Sie sprühten nachts farbige Markierungen an mehrere Kreuzungen, um selber Radwege in der Stadt zu implementieren. Das sah dann eigentlich ganz nett aus, wie man dem Foto in der taz entnehmen kann.
Die Stadt fand die Aktion nicht witzig; sie ließ die Markierungen für 768,90 € entfernen. Die beiden Seniorinnen sagten hingegen, dass die Markierungen auch leicht mit einem Besen und Wasser abwaschbar gewesen seien. Sie waren also eher nicht als dauerhafte Wegweiser gedacht, sondern als politische Aktion.
Es folgten Ermittlungen wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Außerdem wollte die Stadt das Geld von den beiden Frauen haben. Letztlich erging ein Strafbefehl in Höhe von 50 Tagessätzen, gegen den die beiden Frauen Einspruch einlegten.
Im Gerichtstermin hat das Gericht das Verfahren wohl eingestellt. Die 768,90 € wollen die Frauen der Kommune erstatten, weil diese ohnehin wenig Geld zur Verfügung habe.
Wenn ich mir den Tatbestand den Tatbestand des § 315b Abs. 1 StGB angucke, erschließt sich nicht so ganz, warum das Aufsprühen von Markierungen ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr sein soll. Die Vorschrift lautet:
§ 315b
Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr
(1) Wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er
1. Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt,
2. Hindernisse bereitet oder
3. einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Allenfalls wären Nummer 2 oder Nummer 3 einschlägig, aber es fehlt definitiv an einer Gefährdung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremden Sachen von bedeutendem Wert. Sprich: Der Strafbefehl hätte nicht erlassen werden dürfen, immerhin kam es dann ja auch zu einer Einstellung. Die ist allerdings besonders in einem Punkt weniger Wert als ein Freispruch, denn in der Regel bleiben die Angeklagten zumindest auf den Kosten des eigenen Anwalts sitzen.
Ganz generell zeigt der Fall, dass die Rechtsfolgen eines Strafbefehls nicht in Stein gemeißelt sind und im Gerichtsverfahren oft etwas zu machen ist. Ein Einspruch gegen den Strafbefehl kann übrigens bis zum Beginn der Hauptverhandlung jederzeit zurückgenommen werden, so dass man die Chancen auf jeden Fall immer in Ruhe prüfen sollte.
RA Dr. André Bohn