Darf man links abbiegen, sozusagen im Blindflug, wenn einen die tiefgehende Abendsonne stark blendet? Ja, meinte die Staatsanwaltschaft Oldenburg. Sie stellte das Verfahren gegen den betreffenden Autofahrer mangels Tatverdachts ein – obwohl dieser beim Abbiegen mit zwei Motorradfahrern zusammengestoßen war, die beide noch am Unfallort verstarben.
Laut Staatsanwaltschaft war der Unfall „unvermeidbar“. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Motorradfahrer aus dem Auto einfach nicht sichtbar gewesen waren. Die zuständige Generalstaatsanwatschaft bestätigte die Verfahrenseinstellung. Vom Autofahrer könne nicht verlangt werden, so lange zu warten, bis er nicht mehr geblendet würde – also quasi bis zum Sonnenuntergang.
Weil die Angehörigen der Motorradfahrer sich gegen die Einstellung des Verfahrens wehrten, musste das Oberlandesgericht Oldenburg entscheiden. Die Richter sehen die Sache völlig anders. Man dürfe in so einer Situation nicht einfach „blind“ weiterfahren, ohne eine Gefährdung anderer auszuschließen. Wenn es nicht anders gehe, müsse man so lange warten, bis man wieder richtig sehen kann. Darüber hinaus hätte der Autofahrer auch am Straßenrand warten können, bis sich seine Augen an die Blendung gewöhnt haben.
Die Staatsanwaltschaft muss nun Anklage gegen den Autofahrer erheben (Aktenzeichen 1 W 60/20).