Verhaftung im Gerichtssaal, das ist kein schönes Erlebnis. Natürlich nicht für den Angeklagten. Aber auch nicht für seinen Verteidiger. Genau das passierte heute einer Mutter in Lübeck. Diese soll vier ihrer fünf Kinder jahrelang in den Rollstuhl gezwungen haben (z.B. Bericht in der Welt) und erhielt nun eine Haftstrafe von acht Jahren. Direkt nach der Urteilsverkündung wurde sie in Haft genommen.
Für so einen Haftbefehl gelten die gleichen Kriterien wie auch sonst. Eine hohe Straferwartung alleine ist an sich kein ausreichender Anlass. Allerdings bewirkt die Aussicht auf eine hohe Strafe aber in den allermeisten Fällen einen Fluchtanreiz. Von da an ist es dann nicht weit, den meist herangezogenen Haftgrund der Fluchtgefahr zu bejahen.
Jetzt könnte man natürlich fragen, wieso das Gericht diese Fluchtgefahr nicht früher angenommen? Immerhin dürfte das hohe Strafmaß nicht vom Himmel gefallen sein – auch nicht für die Angeklagte. Allerdings hindert früheres Zögern ein Gericht nicht daran, dann doch noch einen Haftbefehl zu erlassen. Behördliches Trödeln hat in dieser Konstellation keine Sperrwirkung.
Etwas komplizierter ist es, wenn ein bereits bestehender Haftbefehl außer Vollzug gesetzt worden ist. Dieser Hafbefehl darf nur wieder aktiviert werden, wenn sich neue, überprüfbare Umstände ergeben haben, welche zum Beispiel die Fluchtgefahr verstärken. Ob dazu ein (für den Angeklagten absehbares hartes) Urteil gehört, darüber könnte man streiten.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Angeklagte in Lübeck von ihrer Verteidigung auf die Möglichkeit vorbereitet wurde, dass sie möglicherweise sofort in Haft geht. Hierfür muss man bei schweigsamen Gerichten dann durchaus die Zeichen zu deuten wissen. Fehlbewertungen sind keinesfalls ausgeschlossen.