Bei der Lektüre dieses Beitrags im Blog vom Kollegen Detlef Burhoff musste ich erst mal auf den Kalender schauen. Aber nein, es ist nicht der 1. April – was die Sache nicht unbedingt besser macht. Kurz gesagt, es geht um einen Angeklagten, der unentschuldigt nicht zu seinem Gerichtstermin erschien und
dafür eine heftige Quittung bekam. Er wurde ziemlich genau sechs Monate inhaftiert. Oder, um es genauer zu formulieren, offenbar schlicht von der Justiz „vergessen“.
Zwar ist es juristisch durchaus zulässig, wenn das Gericht auf einen unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten mit einem Haftbefehl reagiert. Dieser Haftbefehl ersetzt jedoch nicht die Strafe. Er dient nur dazu, die Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung sicherzustellen. Da Haft immer nur das letzte Mittel sein darf und über allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht, muss die zunächst ausgefallene Hauptverhandlung schnellstmöglich nachgeholt werden.
Doch genau das geschah nach der Festnahme des Angeklagten nicht. Der Richter kümmerte sich um gar nichts. Einen Termin, den offenbar die Geschäfsstelle des Gerichts mit der Verteidigerin abgesprochen hatte, ließ der Richter wegen eines privaten Urlaubs absagen. Da waren aber ohnehin schon gut fünf Monate vergangen. Weder vorher noch nachher kam es dem Richter offenbar in den Sinn, dass er diese Sache nicht auf die lange Bank schieben kann.
Eine ebenso unrühmliche Rolle scheint die Pflichtverteidigerin des Angeklagten gespielt zu haben. Offenbar hat sie rein gar nichts unternommen, insbesondere hat sie nicht auf einen zügigen Hauptverhandlungstermin gedrängt. Erst ein Wahlverteidiger, den der Angeklagte wahrscheinlich in seiner Not beauftragte hatte, schaffte es dann binnen weniger Tage, dass ein anderer Richter den Angeklagten auf freien Fuß setzte – nach ziemlich genau sechs Monaten.
Das Landgericht Görlitz stellt in seinem Beschluss zutreffend fest, dass in so einer einfachen Sache bei einem Sicherungshaftbefehl die Hauptverhandlung spätestens innerhalb von drei Wochen stattfinden muss. Somit saß der Betroffene mehr als fünf Monate grundlos im Gefängnis. Wobei nur am Rande erwähnt werden sollte, dass er in der Sache später sogar freigesprochen wurde.
Eine Lehre aus dem Fall kann sicher auch sein, dass man als Angeklagter auch mal die Aktivitäten des eigenen Anwalts hinterfragen sollte. Und natürlich ganz besonders seine Inaktivitäten.