Wer schon mal die Freude hatte, die Sitzung eines Strafrichters (Amtsgericht) ganz oder teilweise zu besuchen, wird sich gewundert haben. Unglaublich, wie viele Angeklagte doch tatsächlich ohne Anwalt erscheinen. In den niederen Sphären der Rechtspflege herrscht keine Anwaltspflicht, und beim Vorwurf einer kleineren Straftat kann ja auch nicht so viel passieren. Wird zumindest manche Frohnatur denken und sich die Kosten für den Anwalt sparen.
Den Rechtsanwälten, darunter natürlich vorrangig den Strafverteidigern, war das über Jahrzehnte ein Dorn im Auge. Dank einer ausgetüftelten Strategie ist es ihnen nun gelungen, dass Bundesjustizmninister Heiko Maas extra für sie ein Konjunkturprogramm ins Leben ruft. Stolz verkündete der Minister gestern, das Bundeskabinett habe seinen Gesetzentwurf einstimmig beschlossen, welcher die Einnahmesituation deutscher Strafverteidiger erheblich verbessern wird.
Verkauft wird das Ganze allerdings offiziell unter einem anderen Label. Denn mehr Geld für Anwälte ist nun ganz sicher nichts, mit dem man in der heutigen Zeit politisch punkten kann. Deshalb musste auch ein kleiner Trick angewendet werden. Statt die Anwaltspflicht auch bei kleineren Verfahren zu verankern, lähmt die Bundesregierung künftig auch den kleinsten Angeklagten mit so einer Heidenangst, dass dieser künftig absolut mit dem Klammerbeutel gepudert sein muss, wenn er sich auch jetzt noch den Anwalt spart.
Das alles funktioniert, indem man Strafrichtern künftig die Möglichkeit gibt, bei „jeder Straftat“ ein Fahrverbot von bis zu sechs Monaten zu verhängen. Also ganz konkret: Wenn sich jemand in der Kneipe prügelt, mit der Rheinbahn schwarz fährt oder im DM-Markt einen Deoroller klaut, muss der Betroffene nicht nur mit einer Geldstrafe rechnen, sondern auch mit einem Fahrverbot. Und das, auch wenn der Betreffende gar kein Auto hat. Oder das Auto zum Zeitpunkt der Tat brav zu Hause in der Garage stand.
Bisher war es für ein Fahrverbot notwendig, dass die Tat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs stand. Das fällt künftig komplett weg. Noch dazu wird die Höchstfrist des Fahrverbots verdoppelt. Nämlich von drei auf sechs Monate. Somit läuft also jeder Angeklagte mit Führerschein Gefahr, dass ihm ein Richter zu pädagogischen Zwecken noch ein Fahrverbot aufbrummt, vor allem wenn er das Gefühl hat, dass der Angeklagte seine Geldstrafe aus der Portokasse zahlen kann. Oder um es mit den Worten des Justizministers zu sagen:
Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken.
Was trifft den mobilen Bundesbürger härter als der temporäre Verzicht auf sein Auto? Auf das er womöglich auch beruflich angewiesen ist. Nun ja, aber wenn dieses Risiko künftig ganz handfest vorhanden ist, werden die Betroffenen sich tendenziell nicht mehr ohne Rechtsbeistand in eine Hauptverhandlung trauen. Denn ab sofort steht wirklich was auf dem Spiel.
Natürlich kann man auch rechtspolitisch viel gegen diese neue Form einer Strafe einwenden. Mit einiger Sicherheit ist sie auch verfassungswidrig. Aber als Anwalt sage ich mal lieber nichts außer:
Danke, danke, danke, lieber Justizminister.