Es gibt daran zwar viel zu mäkeln, aber das Amtsgericht Düsseldorf legt seinem Strafurteil von heute Mittag folgenden Sachverhalt zugrunde:
Herr C. hatte sich in einer Drehtür mit Herrn B. gestritten. Nach dem Streit verfolgte Herr C. seinen Kontrahenten über die viel befahrene Straße. Auf dem Weg brach er von einem Strauch einen Zweig ab, der ziemlich spitz war. Mit dem erhobenen Zweig lief Herr C. weiter und schrie: „Ich steche dir die Augen aus.“ Dabei kam er ungefähr drei bis vier Meter an Herrn B. heran. B. flüchtete sich dann in den Eingang des Bürohauses, in dem er arbeitet. Herr C. versuchte nicht, ihm ins Haus zu folgen. Er ging enfach weg.
Wegen was kann man Herrn C. verurteilen? Das Amtsgericht meint, er habe sich wegen § 241 Strafgesetzbuch strafbar gemacht:
Bedrohung
Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. …
Es stellen sich viele Fragen. War die „Drohung“ tatsächlich ernst gemeint? Handelt es sich bei der angekündigten Tat tatsächlich um ein Verbrechen? Über all das kann man diskutieren.
Der Fehler liegt woanders, nämlich im rechtlichen Bereich. Bedrohung liegt vor, wenn der Täter die Begehung eines Verbrechens ankündigt, das in der Zukunft liegt. Hier meinte Herr C. aber offensichtlich nicht, dass er seinem Kontrahenten irgendwann – in den nächsten Stunden, morgen, übermorgen, in drei Wochen – die Augen ausstechen wird. Vielmehr hatte das Geschehen ja offensichtlich schon begonnen. Jedenfalls kann ich die Verfolgung mit einem erhobenen, spitzen Stock problemlos mit den angeblichen Worten von Herrn C. in Einklang bringen.
Wenn das Geschehen aber schon begonnen hat, stellt sich aber doch eine andere Frage: Haben wir es schon mit einer versuchten Körperverletzung zu tun? Oder befinden wir uns noch im Vorbereitungsstadium. Das wäre straflos.
Seltsamerweise hat der Richter darauf bestanden, dass die Verfolgung mit dem erhobenen Stock noch strafloses Vorbereitungsstadium war. Sinngemäß erklärte er: Herr C. hatte noch nicht zur unmittelbaren Verwirklichung des Tatbestandes angesetzt. Deshalb liege noch kein Versuch vor. Das könnte man natürlich hinterfragen, aber das ist nicht meine Aufgabe.
Was aber nicht geht, ist aus dem im Vorbereitungsstadium dahin gesagten Satz eine eigenständige Bedrohung zu basteln. Das würde also ein Verhalten strafbar machen, das an sich – da noch kein Versuch – derzeit straflos ist. Diesen Sinn hat der Bedrohungstatbestand aber mit Sicherheit nicht.
Ich werde das schriftliche Urteil sorgfältig lesen. Vielleicht ist es eine der wenigen Sachen am Amtsgericht, bei denen nicht Berufung, sondern eine Revision mehr Erfolg verspricht.
Einen Teilerfolg gab es wenigstens schon. Wegen angeblicher Beleidigungen wurde Herr C. freigesprochen.