Deutsche Gefängnisse dürfen Inhaftierten nicht nach Gutdünken eine Methadon-Behandlung vorenthalten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bejaht in einem aktuellen Urteil, dass die bayerische Justiz einen langjährig Drogenkranken unmenschlich und erniedrigend behandelt hat, als sie ihm während seiner Haft die Ersatzdroge Methadon verweigerte.
Der 1955 geborene Kläger ist seit 1973 schwer drogenabhängig und seit 1988 mit HIV infiziert. Im Juni 2008 kam er in Untersuchungshaft und wurde später zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Vor seiner Verhaftung war er in einem Methadon-Programm. Die Behörden verweigerten ihm während der Haft die Fortsetzung. Auch bei einem gerichtlich angeordneten Entzug erhielt er keine Substitution. Auch als er wegen Scheiterns des Entzugs wieder in Haft ging, wurde ihm weiter Methadon verweigert.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kritisiert in dem Urteil harsch, dass die Justiz ohne nähere ärztliche Prüfung beziehungsweise aus Prinzip, weil die jeweilige Haftanstalt Methadon-Programme gar nicht anbietet, eine Substitution verweigerte. Die Überwindung der Drogensucht sei auch im Strafvollzug ein wichtiges Ziel. Hierbei sei es unumgänglich, dass der Betroffene eingehend untersucht wird und fachkundige Ärzte entscheiden, ob zum Beispiel eine Methadon-Therapie sinnvoll ist.
Das ist sicher ein Urteil mit großer Bedeutung für die Praxis in deutschen Haftanstalten. Die Verweigerung einer Methadon-Behandlung ohne Rücksicht auf den Einzelfall, die heute in einigen Bundesländern üblich ist, dürfte damit nicht mehr zulässig sein (Aktenzeichen 62303/13).