Anbiederungsbesuche

Als Anwalt lege ich normalerweise keine schriftliche Vollmacht bei Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht vor. Das hat gute Gründe, die ja auch schon öfter mal Thema hier im law blog waren. Allerdings ist das kein Grund für mich, mir keine schriftliche Vollmacht geben zu lassen. Denn das Stück Papier kann gerade in einem Fall viel Stress, Zeitverlust und gravierende Rechtsnachteile für den Mandanten ersparen, wenn ich es im richtigen Zeitpunkt zur Hand habe.

Es gibt mitunter biestige Staatsanwälte, die ein ganz besonderes Hobby pflegen. Sie sehen es als ihre Aufgabe, einem Beschuldigten in Untersuchungshaft sogenannte „Anbiederungsbesuche“ von Rechtsanwälten zu ersparen. Damit sind jene Strafverteidiger adressiert, die in publikums- oder geldträchtigen Fällen Beschuldigte auch schon mal ungebeten aufsuchen und ihnen erzählen, dass sie alles viel besser können als der bisherige Verteidiger.

Über solche Anbiederungsbesuche will ich nicht urteilen. Mein Stil sind sie nicht. Aber
häufig genug kommt es natürlich vor, dass Angehörige oder Freunde sich um einen (plötzlich) Inhaftierten sorgen und wollen, dass er einen vernünftigen Anwalt bekommt. Das wiederum ist – vielleicht neben einem Kostenvorschuss – für mich ausreichender Anlass, eine Besuchserlaubnis zu beantragen. Der Inhaftierte selbst ist ja praktisch von jeder Kommunikation ausgeschlossen. Eine wirklich „freie“ Anwaltswahl ist ihm in der Situation nicht möglich.

Über die Besuchserlaubnis entscheiden regelmäßig die Staatsanwälte. Jetzt habe ich es mit einer Staatsanwältin in Niedersachsen zu tun. Die Dame stört es offensichtlich, dass sich ein Anwalt aus Düsseldorf meldet und den Beschuldigten besuchen will. Jetzt bombardiert sie mich mit Nachfragen. Unter anderem soll ich ihr „Belege“ dafür vorlegen, dass der Bruder des Mandanten, der mich angerufen hat, auch tatsächlich der Bruder ist.

So was geht über bürokratischen Schnickschnack schon hinaus. Der Staatsanwalt als Strafverfolger und Gatekeeper für Anwaltskontakte in Personalunion – so was ist rechtsstaatlich offensichtlich heikel. Ich bin deshalb auch recht zuversichtlich, dass ich nach einigen kleineren Gesprächen doch noch schnell zu meiner Besuchserlaubnis komme. Auch wenn ich diese Gespräche womöglich mit den Vorgesetzten der Staatsanwältin oder dem Ermittlungsrichter führen muss.

Nun ja, dieses jüngste Erlebnis bestärkt mich darin, Mandanten auch künftig immer um eine schriftliche Vollmacht zu bitten. So eine Vollmacht kann glücklicherweise auch für die Zukunft erteilt werden. Mit der Vollmacht in der Hand brauche ich dann keine Besuchserlaubnis. Ich kann im Knast sozusagen durchmarschieren und der Betroffene muss nicht unnötig schmoren.