Von Eberhard Ph. Liliensiek (Pressebüro Düsseldorf)
Die oft beklagte Überlastung in der nordrhein-westfälischen Justiz zeigt offenbar die ersten klaffenden Lecks, aktuell beim Amtsgericht in Düsseldorf: Die Strafrichterin Hedda W. (64) hat kürzlich einen mutmaßlichen Betrüger davon kommen lassen, weil sie die Akte vernachlässigte. Am Donnerstag stellte sich heraus, dass Amtsrichter Heinrich L. (60) weit über hundert Knöllchen-Verfahren in die Verjährung getrieben hat.
Wen trifft eine Schuld an solchen Zuständen?
„Wir warnen seit Jahren, dass es zu derartigen Ereignissen kommen kann“, sagt Jens Gnisa, Landesvorsitzender des Deutschen Richterbundes. Er meint, dass es schon nicht mehr um Einzelfälle geht. Allerdings: Es komme auch auf die örtliche Organisation in den Gerichten an.
Dem widerspricht Amtsgerichtspräsident Dirk Hartmann. Er bestätigt die Verfehlungen in seinem Hause, für die es aber bei dem Amtsrichter L. eher persönliche Gründe gebe. Die Verjährungen seien bereits vor einem Jahr aufgefallen. Laut Behördensprecher Clemens-Peter Bösken sei daraufhin ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, das Oberlandesgericht, das NRW-Justizministerium und die Staatsanwaltschaft seien informiert worden. In der Anklagebehörde widersprach Chef Hans-Reinhard Henke gestern allerdings der Darstellung: „Der Gesamt-Sachverhalt ist der Staatsanwaltschaft nicht zur Kenntnis gebracht worden.“
Für Ralph Neubauer, Sprecher im NRW-Justizministerium, ist „die Ursache des Versäumnisses aufgeklärt und abgestellt.“ Neubauer bestreitet „strukturelle Probleme“ in der Justiz und spricht von einem persönlichen Einzelfall des Richters Heinrich L., der offenbar so überfordert war, dass er nicht einmal um Hilfe gerufen hat. Das bestätigt Amtsgerichtspräsident Hartmann: „Es gab keine Überlastungsanzeige.“
Jetzt wird die Staatsanwaltschaft prüfen müssen, ob sich der Richter einer Rechtsbeugung schuldig gemacht haben könnte. Auch die Säumigkeit der Strafrichterin Edda W. wird gerade vom Ministerium untersucht.
Die Auffassung, dass es sich auch dabei um einen Einzelfall handeln könnte, wird beim Richterbund kritisch betrachtet: „Die Kollegen arbeiten doch nicht isoliert“, gibt dessen Vorsitzender Gnisa zu Bedenken. Er nimmt die Landtags-Politiker in die Pflicht: „Stellen sollen auch im Unterstützungsbereich wegfallen. Wir versuchen nur noch, das Schiff über Wasser zu halten!“