Den Führerschein verliert man nur wegen Taten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Könnte man meinen. Aber viele Straßenverkehrsämter sehen das mittlerweile nicht mehr so eng. Und das gilt nicht nur für Alkoholdelikte, wie ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Neustadt zeigt.
Ein 26-Jähriger muss seine Fahrerlaubnis abgeben, weil er aus seinem Wohnzimmerfenster mit einem erlaubnispflichtigen Druckgasgewehr auf eine Schülergruppe geschossen hat. Dabei traf er einen Schüler an der Schulter. Die Folge war ein Bluterguss. Klar, dass der Mann wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz bestraft wurde, und zwar zu neun Monaten Gefängnis auf Bewährung.
Obwohl die Tat in keinem Zusammenhang zum Straßenverkehr stand, verlangte das Straßenverkehrsamt eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU). Die bestand der Betroffene nicht, weil ihm der Sachverständige ein hohes Aggressionspotenzial bestätigt. Dieses Potenzial werde künftig zu Ausfällen im Straßenverkehr führen. Und das, obwohl der 26-Jährige schon drei Jahr den Führerschein hatte und in der ganzen Zeit nichts vorgefallen ist.
Das Verwaltungsgericht Neustadt folgt dem Sachverständigen ausdrücklich in der Annahme, dass Forschungsergebnisse einen engen Zusammenhang zwischen allgemein-strafrechtlichen Delikten, Aggressivität und Verkehrsauffälligkeiten belegen. Personen, die außerhalb des Straßenverkehrs wenig Rücksicht auf Regeln und Gesetze nehmen, würden das auch im Straßenverkehr tun.
Für mich klingt das mehr nach Binsenweisheit, weniger nach Wissenschaft. Jedenfalls öffnen solche doch gewagten Schlussfolgerungen Tür und Tor für die Straßenverkehrsämter, künftig bei so gut wie jeder strafrechtlichen Verurteilung irgendwelche Rückschlüsse auf die Fahreignung zu ziehen. Auch wenn die Tat selbst gar keinen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr hat.
Geradezu perfide wird es nach meiner Meinung, wenn das Verwaltungsgericht Neustadt sich nicht dafür interessiert, ob die MPU überhaupt hätte angeordnet werden dürfen. Die Richter meinen nämlich, darauf komme es nicht an. Denn selbst wenn die Anordnung zu Unrecht erfolgte, dürfe das Gutachten trotzdem verwendet werden, weil es eine „neue Tatsache“ sei, der selbständige Bedeutung zukomme.
Wie praktisch, dass ein Betroffener auch nicht klagen kann, wenn er zu einem Gutachten aufgefordert wird. Die MPU-Anordnung selbst gilt nämlich nicht als selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt. Mit anderen Worten: Vorher kann man sich nicht wehren. Und hinterher auch nicht.