Das Facebook-Profil eines Richters als Befangenheitsgrund. Bis heute hätte man drüber geschmunzelt, doch nun ist es harsche Wirklichkeit. Der Vorsitzende einer Rostocker Strafkammer hat sich auf Facebook so weit aus dem Fenster gelehnt, dass der Bundesgerichtshof nun eines seiner Urteil aufhob.
Der Verteidiger eines Angeklagten hatte sich die Facebook-Seite des Vorsitzenden Richters angesehen. Dazu heißt es in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs:
Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Lichtbild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des Vorsitzenden, der wie folgt lautete: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: „.,.sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer! :-))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, „geliked“ wurde.
Dazu findet der Bundesgerichtshof klare Worte:
Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig.
Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität.
Der Vorsitzende ist noch im Amt, seine Facebook-Seite weiter auffindbar, allerdings ohne das Foto im T-Shirt. Ich habe bei dem Gericht momentan selbst keinen Prozess. Aber es werden sich sicher etliche Kollegen finden, die jetzt ganz flink in laufenden Verfahren Befangenheitsanträge für ihre Mandanten stellen – und sie dann zumindest am Ende des Instanzenzuges wohl auch durchbekommen.
Würde mich nicht wundern, wenn das Präsidiums des Landgerichts Rostock bei nächster Gelegenheit ebenfalls überlegt, was der Richter bis zu seiner Rente denn so machen könnte. Vielleicht beschreibt er ja mal auf Facebook seinen Blick, wenn er das Ergebnis erfährt (Link zum Beschluss; Anmerkungen von RA Detlef Burhoff).
Nachtrag: Heribert Prantl schreibt in der Süddeutschen Zeitung über den Fall
Nachtrag 2: Der Richter soll nach Angaben des Landgerichts Rostock weiter Strafsachen verhandeln