MEINE RECHTE

Zum gestrigen Eintrag Fahrtenbuch wird in den Kommentaren rege diskutiert, ob ein Fahrzeughalter jemanden, der mit seinem Auto gerast ist, „ans Messer liefern“ muss.

Alle bisherigen Diskussionsteilnehmer sind der Auffassung, dass dies eigentlich selbstverständlich ist („ein Mann steht zu seiner Tat“).

Ich sehe es anders:

Unsere Rechtsordnung kennt grundsätzlich keine Verpflichtung, andere zu verraten. Ausnahmen gibt es nur bei sehr schweren Delikten und im Rahmen der Strafvereitelung, diese setzt aber in der Regel ein aktives Tun voraus; Schweigen reicht nicht. Die praktisch wichtigste Ausnahme ist übrigens Unfallflucht, § 142 Strafgesetzbuch. Es ist die einzige Norm, die es unter Strafe stellt, wenn ich abhaue.

Die Nichtverpflichtung zur – ich sage es mal abfällig – Denunziation ist ein Element des liberalen Rechtsstaates, den wir zumindest auf dem Papier noch haben. Die Drohung, dass man ggf. ein Fahrtenbuch führen muss, ist sogar eine direkte Folge aus diesem Prinzip. Ein Fahrtenbuch kann ja nur die Aufklärung künftiger Delikte erleichtern.

Auch bei schweren Strafaten kann es passieren, dass jemand vielleicht den Täter kennt, ihn aber auch als Zeuge nicht offenbaren muss. So haben nahe Verwandte umfassende Schweigerechte, ebenso die zur Verschwiegenheit verpflichteten Berufsgruppen wie Anwälte, Drogenberater und – stimmt wirklich – Hebammen.

Wenn ich also weiß, dass mein Vater jemanden halbtot geprügelt hat, kann ich mich zurücklehnen und die Aussage wegen Verwandtschaft verweigern. Es gibt keine legale Möglichkeit, mich zum Sprechen zu bringen. Schon hieran zeigt sich, wie hoch der Rechtsstaat gerade Zeugnisverweigerungsrechte schätzt. Er nimmt es sogar in Kauf, dass schwerste Delikte nicht aufgeklärt werden.

Ich gebe zu, dass die Sache mit dem geliehenen Auto etwas anders gelagert ist. Mangels Verwandtschaft mit dem Fahrer bin ich als Halter des Pkw oft nur Zeuge und könnte zumindest denjenigen benennen, dem ich das Auto gegeben habe. Aber da hilft eben die Rechtsprechung, die sagt, dass man sich nach 14 Tagen nicht mehr erinnern können muss, wem man das Auto gegeben hat.

Letztlich ist keiner gezwungen, von seinen Rechten Gebrauch zu machen. Wer als Zeuge reden will, kann auf sein Schweigerecht jederzeit verzichten. Und eine „Erinnerungslücke“ musss auch niemand haben.

Ich finde es nur schade, wenn ich jeden Tag erlebe, dass Menschen gar nicht wissen, wie weitgehend ihre Rechte sind, und sie deshalb auf falscher Grundlage eine Entscheidung treffen. Oder wenn diese Menschen sogar falsch über ihre Rechte belehrt werden. Von den (seltenen) Fällen, dass sie getäuscht werden, mal ganz zu schweigen.