Ein Mandant trug sich mit dem Gedanken, seine bereits eingelegte und von mir begründete Revision gegen eine Verurteilung wegen Untreue zurückzuziehen. Ich hielt das Rechtsmittel zwar für aussichtsreich, aber letztlich bestimmt natürlich der Auftraggeber, was passiert. Und wenn er nicht mehr will, dann will er nicht mehr.
Ich diktierte also die Rücknahme der Revision. Wie es der Zufall wollte, rief mich wenige Stunden später ein Richter am Oberlandesgericht an. Der Richter arbeitet in dem Senat, der über die Revision meines Mandanten zu entscheiden hat.
Der Richter hatte eine Frage zu einem anderen Fall. Aber ich nutzte natürlich die Gelegenheit zu fragen, ob er die Revision meines Mandanten schon gelesen hat. Hatte er. „Das haben wir sogar schon beraten“, sagte er. „Ich würde mal sagen, das ist eine sichere Bank für Sie.“ Okay, mit so viel Offenheit war jetzt nicht unbedingt zu rechnen. Aber warum nicht…
Ich hatte es eilig, den Richer loszuwerden. So wie ich den Arbeitsplan kannt, war meine Sekretärin wahrscheinlich in dem Moment dabei, die Revisionsrücknahme zu schreiben und zu faxen. Wenn sie es nicht schon erledigt hatte.
Hatte sie zum Glück nicht. Denn ein Rechtsmittel kann man zwar zurücknehmen, aber damit ist dann Schluss. Eine Rücknahme der Rücknahme gibt es nicht. Ich legte den Schriftsatz erst mal auf Eis und rief den Mandanten an. Unter den Umständen war er dann doch bereit, weiter zu kämpfen.
Wenige Tage später kam der positive Beschluss vom Oberlandesgericht. Die Sache wurde ans Schöffengericht zurückverwiesen. Mittlerweile haben wir dort auch neu verhandelt. Am Ende stand ein Freispruch.