Mich rief ein Mandant an, nachdem er Besuch von der Polizei hatte. Ein Beamter hatte bei ihm am späten Nachmittag geklingelt. Er wolle gern mal reinkommen und „reden“, erklärte der Polizist. Aber mein Mandant könne beruhigt sein. „Sie sind nur Zeuge.“
Allerdings war mein Mandant davon wenig erbaut. Er wusste auch überhaupt nicht, um was es eigentlich gehen soll. Er weigerte sich also höflich aber bestimmt, irgendwas als „Zeuge“ zu sagen. Obwohl ihm der Beamte natürlich das erzählte, was Polizisten widerspenstigen Zeugen gerne sagen. Dass Zeugen im Gegensatz zu Beschuldigten keine Schweigerechte haben und deshalb Auskunft geben müssen.
Was ja im Grundsatz sogar richtig ist. Nur leider vergessen Polizisten in diesem Zusammenhang gerne zu erwähnen, dass die Aussagepflicht zwar besteht, aber nicht ihnen gegenüber. Nur vor dem Staatsanwalt müssen Zeugen aussagen, und natürlich vor einem Richter.
Nun ja, so viel Beharrlichkeit war der Polizist wohl nicht gewöhnt. Er erklärte meinem Mandanten dann, dass er auch anders könne. „Wenn Sie nicht mit mir sprechen wollen, stufe ich Sie halt zum Beschuldigten hoch.“ Das war wohl in dem Sinne gemeint, dass mein Mandant jetzt selbst schuld an seiner Lage ist, wenn er sich so halsstarrig zeigt.
Aber auch damit stieß der Beamte auf Granit. Vielmehr musste er ohne „Gespräch“ von dannen ziehen und am nächsten Tag mit mir als Anwalt des Betroffenen telefonieren. Bei der Gelegenheit habe ich ihn dann auch mal ganz offen gefragt, ob es wirklich stimmt, dass er erst mal mit meinem Mandanten als „Zeugen“ plaudern wollte. Und das, obwohl er natürlich zu dem Zeitpunkt lässt einen konkreten Tatverdacht hatte. Was nach der Sachlage, die ich nun einige Zeit später nach Akteneinsicht kenne, auch gar nicht zu leugnen war.
„Wissen Sie“, sagte der Beamte, „mit der Methode mache ich eigentlich immer gute Erfahrungen. Es will ja auch nicht jeder zum Anwalt, so wie Ihr Mandant.“ Na ja, ich habe diesen kreativen Umgang mit der Strafprozessordnung nicht vertieft. Wäre ja doch nichts dabei rausgekommen. Meinem Mandanten musste ich dann allerdings eine Dienstaufsichtsbeschwerde ausreden. Die Ermittlungsakte ist ja „sauber“ – und uns beiden hätte am Ende ja doch keiner geglaubt.