Die Vorladung kam für meinen Mandanten unvorbereitet. Er sollte bei der Polizei erscheinen, um sich wegen Tankbetrugs zu rechtfertigen. Am 26. Oktober 2014 hatte er nach seiner Erinnerung tatsächlich in aller Herrgottsfrühe an der Tankstelle einen Stopp gemacht. Allerdings war er sich sicher, dass er sein Benzin gezahlt hat und nicht (gedankenverloren) davon gefahren ist.
Vorsätzlich dürfte er jedenfalls kaum gehandelt haben. Dafür würde ich ausnahmsweise ganz vorsichtig die Hand ins Feuer legen. Der Mandant kennt sich nämlich mit so was gut aus, allerdings eher von der anderen Seite. Er arbeitet seit 25 Jahren als Strafrichter am Amtsgericht. Sonderlich angenehm war es für ihn also nicht, dass er nun ein eigenes Aktenzeichen bei der Staatsanwaltschaft hatte und am Ende möglicherweise ein Kollege darüber befinden musste, ob er ein Betrüger bzw. Dieb ist.
Das größte Problem: Mein Mandant hatte bar bezahlt und sich keine Quittung geben lassen. Wir saßen also mit ziemlich leeren Händen da, als wir uns das Video der Überwachungskamera anschauten. Dieses war von üblicher Tankstellenqualität. Man sah kaum was, aber halt schon das Kennzeichen und eine Person, die meinem Mandanten ähnlich sieht. Er geht nach dem Tanken auch einzige Zeit aus dem Bild. Ob er an der Kasse gezahlt hat, dafür gab es aber keinen Beleg. Auch weil die Tankstelle nur die Aufnahmen der Zapfsäulenkamera gesichert hatte.
Allerdings fiel uns beim Abgleich der Zeitstempel des Kassenterminals und der Videokamera auf, dass der 26. Oktober 2014 kein gewöhnlicher Sonntag war. Vielmehr wurde an dem Tag die Uhr um eine Stunde auf die Normalzeit zurückgestellt. Das war doch schon mal ein Strohhalm und eine Nachfrage wert. Ich fuhr bei der Tankstelle vorbei und sprach mit dem Pächter. Der war auch zugänglich und wir schauten einfach mal, wie sein Kassenterminal und die Videokameras programmiert sind.
Bei der Kasse wusste der Tankstelleninhaber ziemlich sicher, dass die Umstellung automatisch über den Terminalbetreiber erfolgt. Bei der Kamera war das aber nicht der Fall. Wie sich herausstellte, macht das immer der technikaffine Sohn des Pächters. Der hatte am 26. Oktober aber erst ab sieben Uhr die Schicht. Was im Ergebnis bedeutete, dass mein Mandant jedenfalls nicht zum fraglichen Zeitpunkt an der betreffenden Zapfsäule war. Das Benzin hatte vielmehr ein Unbekannter mitgehen lassen, der genau eine Stunde früher getankt haben dürfte.
Der Tankstellenpächter bestätigte mir schriftlich, dass es jedenfalls ganz anders gewesen sein kann und er die Anzeige sowie seinen Strafantrag zurücknimmt. Das Verfahren gegen meinen Mandanten wurde dann auch schnell eingestellt. Neben meinem Honorar habe ich mich auch über die Zusage des Richters gefreut, in seinem Verhandlungssaal künftig doppelt und dreifach hinzuschauen, bevor er eine merkwürdige Geschichte als „Schutzbehauptung“ abtut.
Ich werde ihn demnächst auf die Probe stellen.