Auch der heutige Haftprüfungstermin brachte für Thomas Middelhoff keine Entlassung. Der frühere Arcandor-Chef war am Freitag in Haft genommen worden, nachdem ihn das Landgericht Essen zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Gericht bejaht aber den Haftgrund der Fluchtgefahr.
Nach Angaben des Gerichts konnte Middelhoff sich am Nachmittag ergänzend äußern. Gereicht hat das wohl nicht. Die Verteidigung, so heißt es, wolle jetzt noch Unterlagen nachreichen. Erst dann werde das Gericht eine Entscheidung treffen, ob Middelhoff wieder raus darf.
In Presseberichten heißt es, Middelhoff habe nach seiner Festnahme lediglich einen abgelaufenen Pass vorgelegt, aber nicht seinen gültigen Reisepass bzw. Personalausweis. Sollte das zutreffen, würde das natürlich schon erklären, wieso das Landgericht Essen sich plötzlich mit der Freilassung so schwer tut. Noch am Freitagnachmittag hatte es ja selbst ein Gerichtssprecher als durchaus wahrscheinlich dargestellt, dass der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt wird. Der Trick beziehungsweise Fauxpas mit dem Pass wäre dann ein heftiges Eigentor gewesen. Ich bin mir sicher, dass Middelhoffs Anwälte wahnsinnig begeistert waren.
Andererseits ist sie schon mehr als fraglich, diese ominöse Fluchtgefahr. Es bedarf einer sehr deutlichen Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 %, dass der Beschuldigte sich absetzt. Da reicht nicht die bloße Möglichkeit, denn die gibt es ja immer. Vielmehr müssen konkrete Tatsachen die Fluchtgefahr rechtfertigen. Ob das bei Middelhoff wirklich der Fall ist, darüber kann man nur spekulieren.
Allerdings hat das Gericht wohl eher wenige konkrete Anhaltspunkte genannt, die Fluchtpläne nahelegen könnten. Vielmehr verwies der Vorsitzende in erster Linie auf die „hohe Straferwartung“. Dabei ist eine Freiheitsstrafe von drei Jahren sicher nicht schön, aber sie liegt doch immer noch eher im unteren Bereich. Zumal man ja bei einer Strafe bis zu zwei Jahren sogar noch Bewährung kriegen kann – wenn das Urteil überhaupt Bestand hat.
Andere Gerichte tun sich bei solchen Fällen da wesentlich schwerer, jemanden in Haft zu nehmen. Vor einigen Wochen wurde in einem meiner Fälle der bis dahin außer Vollzug gesetzte Haftbefehl sogar komplett aufgehoben, nachdem mein Mandant in erster Instanz drei Jahre und vier Monate kassiert hat.
Die Richter wiesen den nicht sonderlich begeisterten Staatsanwalt darauf hin, dass der Haftbefehl vorrangig die Anwesenheit des Angeklagten bis zum Urteilsspruch absichern sollte und jetzt deshalb nicht mehr benötigt wird. Mit diesen Richtern wäre Middelhoff wahrscheinlich deutlich angenehmer gefahren.