Eine 40-Jährige soll in der Region Odenwald öfter als Rechtsanwältin vor Gericht fungiert haben – und zwar ohne Beanstandung. Nunmehr hat sich herausgestellt, dass die Frau lediglich mal Jura studiert hat. Einen Abschluss kann sie aber nicht vorweisen.
Ein Rechtsanwalt aus dem Kreis Miltenberg soll die vermeintliche Juristin mit entsprechenden Vollmachten ausgestattet haben. Laut Polizei spricht einiges dafür, dass die Frau den Anwalt über ihre Qualifikation in die Irre geführt hat. Die Gerichte hatten an den Vollmachten, welche die Frau in den Verhandlungen vorlegte, dann auch nichts auszusetzen. Insgesamt soll es sich um mehr als 30 Verfahren handeln.
Die Geschichte klingt erst mal merkwürdig, kann sich aber tatsächlich so zugetragen haben. Ich jedenfalls habe es noch nie erlebt, dass ein Richter vor der Verhandlung meine Qualifikation prüft, indem er meinen Anwaltsausweis oder gar meine Zulassungsurkunde sehen will. Vielmehr reicht – zum Glück – ein halbwegs glaubwürdiger Auftritt. Und natürlich kann der Besitz einer Robe nicht schaden. Normalerweise verlangen Gerichte auch gar keine schriftliche Vollmacht, wenn ein Anwalt für den anderen einen Termin wahrnimmt. Dass die Frau eine Vollmacht dabei hatte, hat ihrer Glaubwürdigkeit deshalb sicher eher nicht geschadet.
Auch der Anwalt selbst kann schlicht reingelegt worden sein. Wenn er etwa die Dame nur zu Verhandlungsterminen geschickt hat, wird er sie als freie Mitarbeiterin bezahlt haben. Mehr als eine Rechnung über die geleisteten Dienste kriegt er da nicht zu Gesicht. Und ob man sich von einer „Kollegin“, die glaubwürdig daher kommt, als mutmaßlich kleiner Anwalt weitere Nachweise vorlegen lässt, ist eine Geschmacksfrage. Geschadet hätte etwas mehr Skepsis dem Anwalt allerdings nicht. Bei ihm wurde nämlich auch eine Hausdurchsuchung durchgeführt.