Porsche-Entzug

Fahrverbot oder gar Führerscheinentzug als Strafe nicht nur für Verkehrsdelikte? Die Diskussion ploppt zuverlässig immer wieder auf. Nun ist es wieder so weit, wobei ich nicht weiß, ob es mit der heute beginnenden Innenministerkonferenz oder dem schon dräuenden nachrichtlichen Sommerloch zusammenhängt.

Das Fahrverbot bringt NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) ins Spiel. Und zwar ausdrücklich für Steuersünder. Bei vermögenden Steuerstraftätern sei eine Geldstrafe nicht effektiv genug, sagt der Minister. „Hier können wir mit einer verfassungskonformen Vermögensstrafe oder in kleineren Fällen dem Entzug der Fahrerlaubnis wirksamer strafen“, sagte Kutschaty der „Rheinischen Post“.

„Wenn der Zahnarzt sechs Monate seinen Porsche stehen lassen muss, trifft ihn das viel mehr als eine Geldstrafe“, meint Kutschaty. Das kann man natürlich so drehen – wenn man das Anfeuern plumper Neidgefühle für einen tauglichen Politikstil hält.

Ich möchte mal die Frage stellen, woher dieser ständige Wunsch nach immer neuen, vermeintlich schärferen Gesetzen kommt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir ein offensichtliches Vollzugsdefizit bei bestehenden Gesetzen haben.

Gerade, aber nicht nur im Steuerstrafrecht ist es doch so, dass – zum Glück jeden einzelnen Betroffenen – die Strafen nach wie vor eher behutsam verhängt werden. Der zur Verfügung stehende Strafrahmen wird jedenfalls im Vergleich zu Gewalt- oder gar Sexualdelikten längst nicht so strapaziert, wie man es auch für Ersttäter durchaus vertreten könnte.

Bewährung oder nicht – dieser Eiertanz fällt gerade in grenzwertigen, aber auch in vielen eindeutigen Fällen, in denen die Steuerschuld nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eigentlich keine Bewährung mehr zulässt, doch noch oft genug zur grenzenlosen Erleichterung der Betroffenen aus.

Auch im Bereich unterhalb der Bewährungsfrage werden Steuerstraftäter sicher längst nicht mal so mittelheftig angefasst, wie es das Gesetz problemlos ermöglichen würde. Im Gegenteil. Der Strafbefehl, also das schriftliche Urteil ohne Gerichtsverhandlung, ist hier das Mittel der Wahl. Das Verfahren lässt sich damit noch immer sang- und klanglos erledigen, zumal ja durch das Steuergeheimnis die Öffentlichkeit im Vorfeld meist gar nichts von den Anschuldigungen erfährt. Und damit auch keine lästigen Fragen stellen oder gar Unzufriedenheit äußern kann.

Natürlich geschieht das nicht durch Rechtsbeugung oder völlig unvertretbare Rabatte. Aber mittels kreativem Rausrechnen vermeintlich fragwürdiger Positionen, Teileinstellungen und sonstigen (noch) legalen Arrangements lässt sich durchaus ausreichend Luft nach unten schaffen.

Ich jedenfalls kenne genug Steuerstrafverteidiger, welche souverän und extrem erfolgreich auf der Klaviatur des stillschweigenden und oft auch handfesten Deals die richtigen Töne treffen. Überprüft werden solche Arrangements ja letztlich auch nicht. Wo weder Staatsanwalt noch Verteidigung etwas unternehmen, tritt halt Rechtskraft ein und die Akte wird abgelegt.

Ich wage als Kontrapunkt zu Minister Kutschaty die These, es würde Steuersünder wesentlich härter treffen und Steuerbetrug wirksamer bekämpfen, wenn die heutigen Strafrahmen in diesem Bereich etwas weniger beschuldigtenfreundlich ausgeschöpft würden. Tatsächlich würde Kutschatys aufgewärmte Idee sogar nur weitere Fluchtpunkte schaffen.

Wenn das Fahrverbot eine Option wird (und entgegen Kutschatys Idee wird es kaum auf Geldstrafen zu beschränken sein), gibt es bei Steuersündern eben eine Möglichkeit mehr für eine geringere Freiheitsstrafe auf Bewährung. Oder für einen spürbaren Abschlag auf die Geldstrafe. Und gerade im kritischsten Bereich – Knast oder nicht Knast – würde damit eine tolle Verhandlungsmasse geschaffen.

„Mein Mandant verzichtet freiwillig ein Jahr auf seinen Führerschein“, wird der Vorschlag lauten. Nach Kutschatys Logik kann diese enorme Belastung einen Richter doch nur höchste Ehrfurcht abfordern, geht der Beschuldigte doch tatsächlich freiwillig durch die Vorhölle eines Lebensabschnitts, während dem er doch tatsächlich seine Karosse nicht selbst lenken darf.

Genau diese vermeintlich so enorme Selbstgeißelung wäre in der Praxis dann vielleicht das letzte notwendige Argument, den Angeklagten ganz ausnahmsweise und natürlich schwersten Herzens nicht in den Knast zu schicken – obwohl er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ganz genau dorthin gehörte. Ich garantiere, dafür fährt auch ein Zahnarzt gerne mal Straßenbahn, wenn er es nicht ohnehin schon heute tut.