Viele Urteile sind gar kein Urteil. Gerichtliche Entscheidungen kommen heute oft in Form eines Strafbefehls daher. Das ist quasi ein Strafverfahren auf dem Schriftweg. Legt der Beschuldigte gegen den Gerichtsbescheid nicht innerhalb von zwei Wochen Einspruch ein, wird der Strafbefehl rechtskräftig. Er steht dann einem Urteil gleich, obwohl es gar keinen Prozess gegeben hat.
Strafbefehle werden auch gern gegen Ausländer verhängt. Wer schon mal Behördenpost aus Holland, Polen oder irgendeinem anderen fremdsprachigen Land (davon soll es eine ganze Menge geben) erhalten hat, kann sich vielleicht in die Situation der Empfänger hineinversetzen. Die verstehen logischerweise oft nur Bahnhof.
Hiergegen wollte der Gesetzgeber, inspiriert durch Vorgaben der EU, letztes Jahr was tun. Er änderte das Gerichtsverfassungsgesetz in einem wichtigen Punkt. Danach müssen in Strafverfahren wichtige Dokumente (Haftbefehl, Anklageschrift, Urteile) übersetzt werden, wenn der Betroffene der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Das ist in § 187 Gerichtsverfassungesetz und § 37 Strafprozessordnung geregelt.
Gut gemeint, allerdings fehlen in dem zweiten Paragrafen die praktisch so bedeutsamen Strafbefehle. Bleibt bei Strafbefehlen also alles beim alten? Nein, meint das Landgericht Stuttgart in einer aktuellen Entscheidung. Die Richter weisen zu Recht darauf hin, dass die Frage eines fairen Verfahrens nicht davon abhängen kann, welchen Verfahrensweg das Gericht wählt.
Sinn und Zweck der Neuregelung sei es, fremdsprachigen Betroffenen die wichtigsten Informationen über ihre Sache zu liefern. Da mache es keinen Unterschied, ob die Entscheidung als klassisches Urteil oder Strafbefehl ergeht. Deshalb sei auch der Strafbefehl in die Sprache des Betroffenen zu übersetzen. Zumal der Strafbefehl, wie sich aus anderen Stellen im Gesetz ergebe, bei fehlendem Einspruch einem Urteil gleichsteht. Somit laufe die Einspruchsfrist nicht, wenn dem Strafbefehl keine Übersetzung beigefügt sei (Aktenzeichen 7 Qs 18/14).
Ob der Übersetzungszwang die Situation Beschuldigter tatsächlich immer verbessert, ist noch eine ganz andere Frage. Es gibt nämlich mittlerweile Gerichte, die sagen: Wenn der Betroffene die wichtigsten Dokumente in seiner Sprache erhält, dann braucht er doch eigentlich keinen Pflichtverteidiger mehr.