Gehen der Justiz die Männer aus? Der Chef des Oberlandesgerichts Hamm, Johannes Keders, klagt jedenfalls öffentlich darüber, es würden sich zu wenige Männer für die Anstellung als Richter oder Staatsanwalt interessieren. Tatsächlich sollen rund 80 % der Bewerbungen mittlerweile von Frauen kommen.
Bei der Einstellungsrunde im letzten Jahr führte das dazu, dass im Bezirk des OLG Hamm 44 Frauen ihren Dienst antraten, jedoch nur 23 Männer. Bei den Staatsanwaltschaften fingen 22 Frauen und zehn Männer an. Eine Ursache haben die Verantwortlichen bereits ausgemacht. Der Justizdienst ist nach ihrer Auffassung derzeit einfach nicht attraktiv genug. Das ergebe sich schon aus den Bewerberzahlen insgesamt. Diese seien sowohl bei Männern als auch Frauen „auffällig“ rückläufig.
Männliche Jung-Juristen, so die Vermutung, gingen lieber zu Großkanzleien oder in die Wirtschaft. Dort werde einfach besser gezahlt. Außerdem ist es in der Tat längst nicht mehr ausgemacht, dass man im Justizdienst eine vergleichsweise ruhige Kugel schieben kann. Der OLG-Präsident spricht selbst davon, dass lange Arbeitszeiten, Bereitschaftsdienste und schwierige Verfahren heute durchaus alltäglich sind.
Also womöglich viel Arbeit und vergleichsweise schlechte Bezahlung, darauf wollen sich offenbar immer weniger Juristen mit Spitzenexamen einlassen. Das ungleiche Verhältnis der Geschlechter sieht Keders übrigens auch darin begründet, dass Frauen den öffentlichen Dienst noch als etwas attraktiver empfinden, weil dort Arbeit und Familie als leichter vereinbar gelten.
Am OLG Hamm empfindet man die absehbare Schieflage offenbar als wenig wünschenswert. Deshalb sollen männliche Bewerber jetzt schon zum Zuge kommen, auch wenn sie eine schlechtere Examensnote haben. Bei ihnen soll ein „befriedigend“ reichen. Frauen würden dagegen weiter das Prädikat „vollbefriedigend“ benötigen.
Mir schwant allerdings, dass diese Absicht schnell wieder zu vermehrter Arbeit in der Justiz führt. Nämlich bei den Verwaltungsgerichten, die sich mit den Klagen zu kurz gekommener Bewerberinnen beschäftigen müssen. Die Methode klingt nämlich verdächtig nach Geschlechterdiskriminierung. Jedenfalls so lange, wie es keinen rechtswirksamen „Männerförderplan“ gibt.
Bericht in der Neuen Westfälischen / RA Detlef Burhoff zum gleichen Thema
Nachtrag: Laut einer Mitteilung des OLG Hamm sollen die Einstellungsvoraussetzungen für Männer nicht abgesenkt werden.