Anders als im Krimi

Ich kann es schon verstehen, wenn die Frau Staatsanwältin meinen Mandanten für unbotmäßig hält. Immerhin hat er sich getraut, zwei Mal einer polizeilichen Vorladung nicht zu folgen.

Was allerdings grundsätzlich in Ordnung geht. Zeugen können mit der Polizei sprechen. Sie müssen es aber nicht. Das gilt an Ort und Stelle. Aber auch auf eine „Vorladung“ hin, die deshalb auch eher Einladung heißen sollte. Das ist die geltende Rechtslage, an der ändern auch die anderen Darstellungen in Tatorten und Großstadtrevieren nichts.

Von diesem Recht machte mein Mandant Gebrauch. Und zwar auch dann, als ihm die Staatsanwältin in Aussicht stellte, dass sie ihn ansonsten persönlich zu sich einbestellt. Lädt der Staatsanwalt ein, sieht die Sache anders aus: Bei der Staatsanwaltschaft besteht eine Pflicht zum Erscheinen. Ob man eine Aussage machen muss, hängt dann davon ab, welche speziellen Auskunfts- und Zeugnisverweigerungsrechte man als Zeuge ziehen kann.

Nachdem mein Mandant – auch auf meinen Rat hin – trotzdem nicht zur Polizei ging, kam tatsächlich die Vorladung zur Staatsanwaltschaft. Zu diesem Termin erschien mein Mandant ebenfalls nicht. Allerdings besaß er dafür einen guten Grund: Er hatte vor kurzem einen großen orthopädischen Eingriff hinter sich, war krankgeschrieben und ging mühsam allenfalls ein paar Schritte an Krücken. Der Arzt bescheinigte ihm, dass er keinesfalls 70 Kilometer anreisen kann.

Das interessierte die Staatsanwältin aber nicht. Sie verhängte gegen meinen Mandanten 150 Euro Ordnungsgeld. Ich weiß nicht, ob sie vorher in die Strafprozessordnung geguckt hat. Aber dort steht ziemlich eindeutig drin: Kein Ordnungsgeld für ausbleibende Zeugen, wenn sie ausreichend entschuldigt sind.

Sicherheitshalber ersparte sich die Staatsanwältin in ihrem Beschluss jede Begründung. (Sie hätte ja auch kaum reinschreiben können, dass sie einfach stinkig ist.) Zum Glück gibt es immer noch höhere Götter. Der zuständige Amtsrichter hakte die Voraussetzungen für eine wirksame Entschuldigung sauber ab und kam – wenig überraschend – zum erwartbaren Ergebnis:

Der Ordnungsgeldbeschluss ist aufzuheben.

Jetzt bin ich mal gespannt, wann man Mandant seine 150 Euro zurückbekommt. Die hatte die Gerichtskasse nämlich schon nach wenigen Tagen angefordert, und zwar unter Androhung der Zwangsvollstreckung. Die Erstattung wird sicher nicht ganz so flott gehen. Und die Zinsen vergessen sie auch, da gehe ich schon mal eine Wette ein.

Zu der Vernehmung, die ja womöglich doch noch kommt, werde ich meinen Mandanten wohl besser begleiten.

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