In einem Strafverfahren ging es um die Frage, ob und wer die Urkunde eines Notars gefälscht hat.
Dazu lud das Gericht auch einen Rechtspfleger aus dem Grundbuchamt ein, der die mögliche Fälschung aufgedeckt hatte. Ihm war bei der Bearbeitung einer Grundstückssache aufgefallen, dass mit dem Dokument vielleicht was nicht stimmt.
Aus der Ermittlungsakte wusste ich, die Strafanzeige war eine der letzten Diensthandlungen des Rechtspflegers gewesen. Er ging danach in Rente. Das war vor über einem Jahr.
Deshalb war ich etwas erstaunt, wie der Zeuge bei seiner Vernehmung den Gerichtssaal betrat. Unter dem Arm hatte er einen dicken, grünen Aktenordner. Den legte er mittig vor sich auf den Tisch, faltete die Hände und schaute die Richterin erwartungsvoll an.
Bevor die allerdings starten konnte, musste ich einige Fragen loswerden:
Ist das vor Ihnen die komplette Grundbuchakte?
Ja.
Wo haben Sie die her?
Ich habe sie mir vorhin auf der Geschäftsstelle besorgt.
Sind Sie nicht pensioniert? Hatte niemand was dagegen, wenn Sie die Grundbuchakte einfach so mitnehmen?
Nein, meine frühere Kollegin hat sie mir selbstverständlich ausgehändigt.
Zurücktragen musste der frühere Gerichtsmitarbeiter die Akte übrigens nicht. Der Richterin war der Vorgang jetzt auch nicht mehr geheuer. Sie verkündete, dass sie die Dokumente hiermit förmlich beizieht. Dann nahm sie die Papiere an sich.
Überdies ließ sie sie den Vorgang auf meine Bitte hin im Protokoll festhalten, einschließlich des Namens der freigiebigen Gerichtsangestellten. Möglicherweise konnte die Geschichte ja für die Verteidigung meiner Mandantin wichtig werden.
Den Namen seiner früheren Kollegin verriet der Ex-Rechtspfleger übrigens ohne mit der Wimper zu zucken. Na, die wird sich gegebenenfalls bedanken…