Letztes Jahr habe ich von dem Fall erzählt, in dem ich für einen Mandanten finanziell in Vorleistung getreten bin. Das ist an sich ein No-Go, ich bin ja nicht die Deutsche Bank. Allerdings sah ich diesmal Grund für eine Ausnahme. Denn mein Mandant saß wegen gerade mal 90 Euro im Knast. Und seiner Entlassung stand nur dieser stolze Betrag im Wege.
Der Mandant hätte an sich aus der – aufgehobenen – Untersuchungshaft entlassen werden können, wäre da nicht diese 90 Euro Restgeldstrafe aus einer anderen Angelegenheit gewesen. Er war zu niedrigen Tagessätzen verurteilt worden, deshalb hätte er seine Strafe im wahrsten Sinne des Wortes noch einige Tage „absitzen“ müssen.
Ich habe noch gut im Ohr, wie mir der Mandant am Telefon hoch und heilig versicherte, er werde das Geld sofort zurückzahlen. Er müsse nur nach Hause, dort habe er mindestens 300 Euro. Ich sprang also über meinen Schatten und blitzüberwies das Geld an die Justizvollzugsanstalt.
Aber Gutmütigkeit zahlt sich halt nicht aus. Über ein Jahr habe ich nichts von dem Mandanten gehört. Immer, wenn noch Behördenschreiben eintrafen, die ich im Rahmen des Mandats an ihn weiterleiten musste, wies ich bei der Gelegenheit auf die Rückstände hin. Keine Reaktion.
Bis letzte Woche. Da schickte mir der Mandant eine Mail. Aus den Anlagen ging hervor, er hat mal wieder Ärger mit der Justiz. Ich solle doch bitte ganz schnell tätig werden. Kein Wort zu den 90 Euro. Da wurde selbst mir etwas blümerant. Ich mailte also zurück, dass die 90 Euro noch offen sind. Und dass ich ohne einen angemessenen Kostenvorschuss die Sache nicht übernehmen kann.
Der Mandant antwortete, leider könne er den Kostenvorschuss nicht aufbringen. Aber zu meiner Überraschung waren am Tag drauf die 90 Euro auf dem Konto, sogar verbunden mit einem verhaltenen Dankeschön.
Mein Vertrauen in die Menschheit ist damit teilweise wiederhergestellt.