Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland schwerer möglich als im Ausland. Deshalb gibt es Abtreibungstourismus. Diesem können deutsche Behörden seit jeher wenig entgegensetzen. Mitunter gelingt den Ermittlern aber doch ein “Fang”, auch wenn er bei näherer Betrachtung etwas hilflos wirkt.
So traf es vor einiger Zeit einen deutschen Arzt. Aber nicht, weil er ohne die notwendigen Rechtfertigungsgründe einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen hat. Im Gegenteil, der Mediziner beriet seine abtreibungswillige Patientin sachgerecht. Er riet ihr sogar dringend, die Schwangerschaft nicht abzubrechen und war auch nicht zu einer Abtreibung bereit. Als die Frau jedoch unbeirrt bei ihrer Auffassung blieb, soll der Arzt ihr einen Zettel mit der Adresse einer niederländischen Abtreibungsklinik gegeben haben.
Das Amtsgericht Wittmund und das Landgericht Aurich kamen zum Ergebnis, der Arzt habe sich nicht wegen Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch strafbar gemacht. Sie glaubten nämlich dem Arzt und seiner Patientin, wonach alle Informationen über die betreffende Klinik und ihr Angebot auch online verfügbar waren. Der Frau wäre es demnach problemlos möglich gewesen, sich selbst Informationen zu beschaffen (wenn sie es ohnehin nicht tat).
Der Arzt wurde zwei Mal freigesprochen. Nun bewertet das Oberlandesgericht Oldenburg, die dritte Instanz, die Sache völlig anders. Für die Richter spielt es keine Rolle, ob der Arzt der Patientin lediglich mit banalen, auch anderweitig zu beschaffenden Informationen half. Das Gericht zieht das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient heran. Dadurch bekämen solche Informationen ein stärkeres Gewicht und seien durchaus geeignet, den Entschluss der Patientin zu beeinflussen.
Keine Rolle spielt nach Auffassung des Oberlandesgerichts der Umstand, dass der Arzt seine Patientin ernsthaft ermutigt hatte, das Kind zu bekommen, diese aber schon fest zum Schwangerschaftsabbruch entschlossen war. Eine Beihilfe könne auch darin liegen, den bereits bestehenden Entschluss zu bestärken. Dazu sei die Übergabe des Zettels mit den Kontaktdaten der Klinik durchaus geeignet, unabhängig von der Frage, ob der Arzt den Entschluss seiner Patientin richtig findet.
Das Landgericht Aurich muss die Sache jetzt neu aufrollen und näher prüfen, was es mit dem Zettel auf sich hatte. Am Ende kann dann auch die Verurteilung des Arztes stehen, auch wenn er faktisch gar nichts gegen den geplanten Abbruch tun konnte. Das Vertrauensverhältnis zum eigenen Arzt wird durch solche Urteile jedenfalls nicht unbedingt entkrampft (Urteil vom 18. Februar 2013, Az.: 1 Ss 185/12).