Es war eine erfreuliche Vernehmung. Aus Sicht der Verteidigung. Die Polizistin, die bei einer tätlichen Auseinandersetzung eingeschritten war, hatte keine Erinnerung. Sie kriegte gerade noch auf die Reihe, dass neben einigen Bretterbuden ein T-Shirt und ein blutbeflecktes Messer gefunden worden waren. Ansonsten sagte ihr die Sache rein gar nichts mehr: „In der Altstadt haben wir täglich Schlägereien.“
Das Gericht monierte, in freundlichem Ton, ein Polizist habe sich auf seine Vernehmung vorzubereiten. Was ja nur heißen kann, dass er vor seiner Aussage erneut in die Akte gucken soll. Schon darüber kann man streiten. Schließlich sollen auch Polizisten nur das aussagen, was sie in Erinnerung haben. Wenn sie ihre Erinnerung auffrischen, sagen sie eher das aus, was in der Akte steht – auch wenn sie ansonsten nichts mehr auf die Reihe kriegen würden.
In diesem Fall hatte die Beamtin aber keinen Zugriff auf die Akte. Den Grund erwähne ich nicht, weil ich keine Zeit habe, mit dem Polizeipräsidium zu diskutieren. Der Staatsanwältin blieb nur der Appell, dass sich die Polizistin melden soll, falls ihr noch etwas einfällt. Sie sei auch am nächsten Vehandlungstag willkommen. Der Richter untermauerte das mit dem Hinweis, das menschliche Gehirn funktioniere auch nicht anders wie ein Computer. Daten seien meisten nur verschütt, aber in den seltensten Fällen komplett gelöscht.
Ich konnte mir nicht helfen. Das klang für mich im Klartext wie: Treiben Sie die Akte auf, lesen Sie alles noch mal durch, dann steht Ihnen bestimmt wieder alles klar vor Augen.
Deshalb erlaubte ich mir den Hinweis an die Polizistin, dass sie wirklich nur das sagen darf, woran sie sich tatsächlich erinnert. Und dass sie schon erklären müsste, woher nach so langer Zeit der – von anderer Seite erhoffte – Flash gekommen ist.
Was wiederum das Gericht verägerte. Die Beamtin sei doch schon Jahre im Dienst, wurde ich belehrt. Sie wisse also sehr genau, was ihre Pflichten sind.
Ich hoffe trotzdem, dass meine Botschaft angekommen ist. Im Rausgehen sah die Polizistin jedenfalls nicht so aus, als hätte sie große Lust auf ein Nachspiel in der nächsten Woche.