Rätselhafte Schüsse auf deutschen Autobahnen

Diese Meldung wird das Sicherheitsgefühl auf deutschen Autobahnen nicht erhöhen: Seit 2008 haben unbekannten Täter mit Gewehren über 700 mal auf Fahrzeuge geschossen. Ziel sind fast immer Autotransporter oder Lastfahrzeuge, jedoch wurde auch bereits eine Frau auf der A 3 bei Würzburg in ihrem Auto angeschossen und verletzt. Das Bundeskriminalamt sucht jetzt verstärkt mit Hilfe der Öffentlichkeit nach dem oder den Tätern.

Ein Grund für den Schritt an die Öffentlichkeit ist, dass der Schütze sei Juni 2012 eine großkalibrigere Waffe verwendet. Wurde zunächst mit Kaliber .22 geschossen, ist es jetzt Kaliber 9. Laut BKA ist wegen der höheren Durchschlagskraft eines 9mm-Geschosses die Gefährdung der Fahrer und anderer Verkehrsteilnehmer deutlich höher als beim Kaliber .22. So durchschlug ein Geschoss Kaliber 9 in einem der Fälle erst eine Lärmschutzwand und beschädigte dann ein dahinter liegendes Haus.

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Einschussloch Kaliber 9 von einem der Fälle. Bild: BKA

Das Bundeskriminalamt geht jedoch nach wie vor davon aus, dass es dem Schützen nicht darum geht, Menschen zu verletzen. In 544 Fällen wurde auf Autotransporter gezielt, und zwar fast immer auf den hinteren Teil. 175 mal wurden andere Fahrzeuge beschossen, darunter Koffersattelzüge, Lkw mit Kastenaufbauten, Baumaschinen und Baufahrzeuge in Baustellenbereichen sowie Wohnmobile.

Auch wenn die Schützen wahrscheinlich nur auf Sachen zielen wollen, ist laut dem BKA die Gefährdung kontinuierlich gestiegen. Bereits im Jahr 2010 wurde die Fahrerin eines PKW auf der A3 bei Würzburg von einem Projektil Kaliber .22 getroffen. Ihr Fahrzeug kam daraufhin von der Fahrbahn ab und prallte gegen die Mittelleitplanke. Zum Glück wurde die Frau nicht schwer verletzt. Im ersten Halbjahr 2010 kam es außerdem zu drei Fällen, in denen die Seitenscheiben von Fahrerhäusern durchschossen wurden. In einem dieser Fälle verfehlte das Projektil den Kopf des Fahrers nur knapp. Die Staatsanwaltschaften ermitteln hier jeweils wegen versuchten Mordes.

Für die Polizei ist der genaue Tatort meist nur schwer festzustellen. Die Einschusslöcher werden oft erst am Ziel bemerkt. Allerdings konnten mittlerweile folgende Schwerpunkte rekonstruiert werden:

  • die A4 zwischen Aachen und Köln,
  • die A3 zwischen Köln und Nürnberg,
  • die A61 zwischen Autobahnkreuz Kerpen und Walldorfer Kreuz,
  • die A6 zwischen Walldorfer Kreuz und Autobahnkreuz Nürnberg-Ost,
  • die A5 zwischen Karlsruhe und Kirchheim.

Vor allem betroffen sind damit die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Aber der oder die Täter agieren möglicherweise auch im Ausland. Insbesondere in Belgien. Hier fingen die Beschüsse zeitgleich zu Deutschland im Jahr 2008 an, bis heute wurden in Belgien 14 Fälle registriert. Aber auch aus Frankreich und Österreich wurden Einzelfälle gemeldet; allerdings waren die betroffenen Fahrzeuge vorher in Deutschland unterwegs.

In vielen Fällen wurde mit ein und derselben Waffe geschossen. Das ergaben die kriminaltechnischen Untersuchungen. Ob es sich um einen oder mehrere Täter handelt, kann das BKA aber momentan nicht sagen. Es spricht aber viel dafür, dass es sich um mobile Täter handelt. Am wahrscheinlichsten, so das BKA, sind die Schützen unter Lkw-Fahrern zu suchen.

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Geschoss Kaliber 9. Bild: BKA

Die Polizei geht davon aus, dass der Täter selbst im Verkehr unterwegs ist. Häufig erfolgt der Schuss von der Fahrerseite aus in den Gegenverkehr hinein, vereinzelt auch bei Überholvorgängen sowohl des Täterfahrzeugs als auch der beschossenen Fahrzeuge. Angesichts dieses Vorgehens spricht BKA-Präsident Jörg Ziercke von einem glücklichen Umstand, dass bislang nicht mehr Personen verletzt oder gar getötet wurden.

Nachdem schon diverse Sonderkommissionen arbeiten, verstärkt das Bundeskriminalamt nun die Fahndung. Die Einsatzteams der Länder werden seit Oktober 2012  in der AG “Transporter” zentral durch das BKA gelenkt. Mit zahlreichen Beamten ist die Polizei vor Ort unterwegs. Gleichzeitig setzt das BKA aber auch die “Operative Fallanalyse” ein, um Täterprofile zu erarbeiten.

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Mit Kaliber .22 angeschossener Neuwagen. Bild: BKA

Gleichzeitig hat das BKA die ausgesetzte Belohnung auf 100.000 Euro erhöht. Autofahrer sollen nicht nur verdächtige Situationen melden, sondern auch Lkw-Fahrer oder andere Verkehrsteilnehmer, die Schusswaffen bei sich führen. Hinweise sind bei jeder Polizeidienststelle möglich, aber auch per Mail.