Die Globalisierung macht auch vor dem Wahlrecht nicht halt. Das Bundesverfassungsgericht hat heute eine Regelung gekippt, wonach im Ausland lebende Deutsche nur an einer Bundestagswahl teilnehmen dürfen, wenn sie irgendwann einmal mindestens drei Monate in Deutschland gelebt haben. Die Richter sind der Meinung, dass diese Bedingung sinnlos ist und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.
Geklagt hatten zwei Frauen, die 1982 in Belgien geboren wurden. Sie haben wegen ihrer Eltern zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, lebten aber seit ihrer Geburt zu keiner Zeit drei Monate in Deutschland. Das Wahlamt ließ sie deshalb für die Bundestagswahl 2009 nicht zu.
Die 3-Monats-Regel war schon in der Vergangenheit entschärft worden. Zunächst waren nur Deutsche wahlberechtigt, die in den letzten zehn Jahren drei Monate in Deutschland lebten. Dann stieg der Zeitraum auf 25 Jahre; schließlich entfiel er ganz. Nun hat es auch die 3-Monats-Vorschrift insgesamt erwischt, und zwar aus gut nachvollziehbaren Gründen.
Das Verfassungsgericht sieht zwar, dass der Gesetzgeber mit den drei Monaten eine gewisse Verbundenheit der Auslandsdeutschen zur Bundesrepublik sichern wollte. Allerdings ist das gewählte Mittel hierfür absolut untauglich. So dürfte ein heute 80-Jähriger wählen, obwohl er seit 75 Jahren in Argentinien lebt und deutschen Boden seitdem nicht mehr betreten hat. Ein 25-Jähriger könnte dagegen nicht wählen, bloß weil er seit jeher mit seinen deutschen Eltern direkt an der deutsch-holländischen Grenze wohnt – nur auf der “falschen” Seite.
Die Regelung erreicht also gerade nicht das mit ihr angestrebte Ziel und verletzt den Grundsatz der Wahlgleichheit.
Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 4. Juli 2012, Aktenzeichen 2 BvC 1/11 und 2 BvC 2/11