Bei etlichen Abstimmungen zur Eurorettung und anderen wichtigen politischen Fragen gibt es regelmäßig Frust im Bundestag. Viele Abgeordnete fühlen sich durch die Bundesregierung nicht ausreichend informiert, bekommen oft nur fertige Vertragsentwürfe vorgelegt. Und diese auch nur in letzter Sekunde. Das Bundesverfassungsgericht hat heute – erneut – festgestellt, dass es so nicht geht. Auf Antrag der Grünen stellte das Gericht einstimmig fest, dass die Bundesregierung das Parlament in wichtigen Fragen rechtzeitig informieren und über Verhandlungen auf dem laufenden halten muss.
Konkret ging es um die Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm und den Euro-Plus-Pakt, der die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa stärken soll. In beiden Fällen kritisiert Karlsruhe den spärlichen Informationsfluss aus der Bundesregierung. Diese müsse wichtige Dokumente vorlegen, auch wenn die Verhandlungen noch liefen. Außerdem genüge es nicht, nur kleineren Gremien Einblick in Unterlagen zu gewähren (“Obleuteunterrichtung”).
Die Bundesregierung hatte argumentiert, es sei nicht praktikabel, das Parlament stets up to date zu halten. Die Verfassungsrichter sehen das anders. Für sie gehört es zu den Kernaufgaben des Parlaments, sich rechtzeitig über wichtige Entwicklungen zu informieren. Nur so seien sachgerechte Entscheidungen möglich. Die Verfassungsrichter trauen dem Bundestag auch zu, die im Einzelfall nötige Vertraulichkeit zu wahren. Für sensible Informationen gebe es ausreichende Geheimhaltungsvorschriften.
Der Beschluss beschränkt sich darauf, der Bundesregierung eine Rechtsverletzung zu bescheinigen. Konkrete Auswirkungen auf die Gültigkeit der internationalen Abkommen hat die Entscheidung nicht. Die Abgeordneten können sich aber auf das Votum aus Karlsruhe beziehen und mit erneuten Klagen drohen, sollte die Bundesregierung das Parlament auch in Zukunft links liegen lassen.