Koinzidenz der Ereignisse, und alles kein Aprilscherz: Der hessische Justizminister möchte Datenhehlerei strafbar machen. Damit soll insbesondere der Verkauf digitaler Identitäten (Adressdaten, Passwörter, Kontoinformationen) wirksamer bekämpft werden. Das Bundesland möchte damit eine Strafbarkeitslücke schließen, berichtet heise online. Womöglich zeigt sich diese Lücke gerade augenfällig an anderer Stelle. Die Schweiz hat Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder erlassen, weil sie den Ankauf von Steuer-Sünder-CDs organisierten.
Die Bankdaten lösten in Deutschland eine Masse an Selbstanzeigen und Steuerstrafverfahren aus. Sie brachten dem Staat jedenfalls ein Vielfaches des Geldes, als er für die Informationen gezahlt hat. Auch wenn sich der Rummel um das Verhalten der deutschen Steuerfahndung mittlerweile gelegt hat, ist eine Tatsache nach wie vor präsent: Die Steuerfahnder erwarben die Daten von illegalen Quellen, meist waren es abtrünnige Bankangestellte. Der deutsche Staat dealte also mit Datendieben.
Allerdings, so viel war ebenfalls schnell klar, ist der Erwerb von solchen Daten in Deutschland wohl kaum strafbar. Blieb nur die Frage, ob das anrüchige Verhalten der Steuerbehörden wenigstens dazu führt, dass Gerichte die Beweise nicht verwerten dürfen. Auch hier handelten die Finanzämter taktisch klug. Sie dealten schon wieder. Die ertappten Steuersünder konnten und können in der Regel ihren Kopf zu günstigen Konditionen aus der Schlinge ziehen. Das heißt, es gibt allenfalls Bewährungsstrafen. Und somit hat kaum einer der glimpflich Davongekommenen Grund, die höheren Gerichte mit der Frage nach einem Verwertungsverbot zu behelligen. Und wenn, dann wurde die Praxis abgenickt.
So viel zum deutschen Recht. In der Schweiz sieht es etwas anders aus. Dort ist Wirtschaftsspionage und damit Datenhehlerei strafbar; ebenso die Verletzung des Bankgeheimnisses. Deshalb haben Schweizer Behörden nun das gemacht, wozu sie nach schweizer Recht jedenfalls angehalten sind: Sie verfolgen die Datenhehler aus Deutschland – unabhängig von ihrem Amt.
Natürlich hängt dies alles auch damit zusammen, dass ein Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz auf der Kippe steht. Mit dem Abkommen soll eine Abgeltungssteuer für in der Schweiz geparktes, unversteuertes Vermögen eingeführt werden. Und auch rückwirkend sollen die Schweizer Banken anonym Steuern für ihre Kunden nachzahlen, die – wichtig für den Bankplatz Schweiz – dafür im Normalfall anonym bleiben dürfen. Also schon wieder ein merkwürdiger Deal.
Die Haftbefehle aus der Schweiz stoßen in Deutschland auf vehemente Kritik. Die Steuerfahnder hätten nur ihre Pflicht erfüllt heißt es. Sie seien doch keine Täter. Ja, vielleicht nicht in Deutschland. Aber womöglich in der Schweiz, wo es nun mal auch Gesetze gibt, an die sich sogar deutsche Finanzbeamte “im Auslandseinsatz” halten müssen, so lange sie keinen Freibrief der Justiz des Nachbarlandes in der Tasche haben.
Nur einer hat bislang so viel Mumm zuzugeben, dass das deutsche Recht nur bis zum Bodensee und nicht in Zürich gilt. Es ist Wolfgang Schäuble. Der Bundesfinanzminister sagte, er könne die Haftbefehle inhaltlich nachvollziehen. Die Justiz in der Schweiz sei ebenso unabhängig wie die deutsche Justiz. Word.
Es wird sich auch schwerlich behaupten lassen, die nun gegen die Steuerfahnder angewandten Vorschriften der Schweiz seien nicht rechtsstaatlich oder verletzten gar die Grundrechte.
Das wiederum belegt schön der hessische Gesetzesvorschlag, der nun wirklich punktgenau bekanntgeworden ist.