Der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling hat im Handelsblatt gestern eine Streitschrift veröffentlicht, die es an markigen Worten nicht fehlen lässt. Ach was, in Wirklichkeit handelt es sich um grobschlächtige Kriegsrhetorik, womöglich inspiriert durch die kolportierte Hybris des Bundespräsidenten, er gehe derzeit durch ein “Stahlgewitter”.
Heveling spricht vom “Kampf”, den sein Gegner, die “Netzgemeinde”, schon verloren habe. Es stelle sich nur noch die Frage, wie viel “digitales Blut” im “Endkampf” (immerhin hat er sich den Endsieg verkniffen) über die “Helden von Bits und Bytes” vergossen werden müsse.
Der Abgeordnete bezeichnet seine selbst erwählten Kontrahenten als “digitale Horden”, bestehend aus “digitalen Maoisten” und “kapitalstarken Monopolisten”. Diese sieht er als fähig und offenbar auch willens an, die heutige Gesellschaft auf “ruinenhafte Stümpfe” zu reduzieren, so dass die Überlebenden am Ende “auf die verbrannte Erde unserer Kultur schauen müssen”.
Das sind nur einige Highlights aus einem Text, der vorrangig Aggression atmet, die Apokalypse beschwört und schlichtweg keine Argumente enthält. Ich war sicher nicht der einzige, der das Pamphlet zunächst für eine verunglückte Büttenrede hielt. Allerdings hätte es hierfür noch eines bekoksten Redakteurs bedurft, der so was auf die Kommentarseite des Handelsblatts hievt. Zu viel der Zufälle, und so stand bald fest, der CDU-Hinterbänkler meint das alles ernst.
Hierüber kann man schon erschüttert sein. Was mich aber wirklich umhaut, ist die Dreistigkeit, mit der Heveling heute die sicherlich heftigen Reaktionen als Bestätigung seiner Thesen wertet:
Wer sich kritisch äußert, erlebt Aggression statt Argumentation.
Manches Kontra auf Heveling war sicher kein freundlicher Akt. Gerade das Defacement seiner Webseite hätte man sich sparen können. Allerdings vergisst der gute Herr Heveling in diesem Zusammenhang, wer angefangen hat. Seine Suada ist nicht nur ein Ausbruch an sich unverständlichen Hasses, sondern auch eine offene Kriegserklärung an einen wenigstens in Teilen identifizierbaren Gegner.
Natürlich könnten sich die Nutzer des Web 2.0 zurückhalten. Aber warum sollten sie, wenn ihnen einer auf so unfasslich bräsige Weise das Recht ihrer virtuellen Existenz abspricht? Jedes Wort gegen Heveling war demnach nicht nur richtig, sondern auch wichtig. Das gilt auch für die unsachlichen, teilweise abgrundtief bösen Erwiderungen. Allerdings habe ich keine gelesen, die es an Schäbigkeit mit Hevelings Beitrag auch nur ansatzweise aufnehmen können.
Und was die fehlenden Argumente betrifft: Heveling darf gerne den ersten Stein werfen, sofern er in seinem Text auch nur ein einziges findet, von tragfähigen will ich gar nicht reden.
Natürlich wäre es von so einer Persönlichkeit wie Heveling zu viel verlangt, dass sie nach einer Welle (auch sachlicher) Kritik in einen Dialog eintritt. Stattdessen legt der Politiker heute nach und erklärt seine Auffassungen für bestätigt – und den Krieg quasi schon für gewonnen. Unter anderem mit folgender Feststellung:
Ich glaube, dass es schon bald eine Generation geben wird, die mit dem Internet ganz anders umgeht. Blogger haben dann keine Relevanz mehr.
Blogger sind für Heveling wohl all jene, die einfach so ins Internet schreiben. Soziale Netzwerke und insbesondere Twitter hat er ja auch schon gestern im Handelsblatt erwähnt. Insbesondere mokiert sich Heveling in seinem heutigen Nachklapp darüber, “dass es im Internet eine Gruppe gibt, die die Meinungsführerschaft für sich beansprucht”. Anscheinend sind es jene, die er ausgemerzt sehen möchte, bevor sie unsere Kultur zerstören. Leute mit Meinungen! Ja, das ist wohl Hevelings eigentliche Gegnerschaft. Menschen, die ohne Mandat sagen, was sie denken.
Ich frage mich nur, wie Heveling darauf kommt, dass künftige Generationen bald (!) keine Lust mehr darauf haben sollten, ihre Erfahrungen, Ansichten und Einsichten auf Facebook und in Blogs zu posten. Oder sie gar bei Twitter in 140 Zeichen zu pressen.
Warum sollten wir alle die so einmalige und unverhofft durch das Internet geschaffene Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen, zu kommunizieren und, ja, den gesellschaftlichen Diskurs wieder maßgeblich mitzugestalten, einfach aus der Hand geben? Auch wer ins Internet schreibt, hat im übrigen noch genug Zeit, legale MP3s zu erwerben. Daran kann sollte es also letztlich nicht scheitern.
Wieso, frage ich Herrn Heveling, sollten wir plötzlich den Spaß an der neuen Meinungsfreiheit verlieren? Ist es nicht ganz im Gegenteil so, Herr Heveling, dass die weitaus meisten Menschen die Möglichkeiten hierzu gerade erst jetzt erkennen? Auch jene nämlich, die Sie noch als internetabstinent wähnen.
Diese Menschen drängen doch gerade, wo Sie dem Web 2.0 den Kampf ansagen, in die sozialen Netzwerke. Sie schreiben dort vielleicht nicht alle korrektes Deutsch – aber sie schreiben ihre Meinung! Und das ist es, was Sie stört? Ich verstehe…
Aber zurück zur eigentlichen Frage. Sie glauben also im Ernst, dass Schülerin Trine, Friseuse Gerda und Opa Hans als Newcomer im Web 2.0 die Lust am Chatten, Vernetzen und Publizieren schnell wieder verlieren? Das glauben Sie echt, Herr Heveling? Darauf hätte ich jetzt gerne eine Antwort.
Kommen Sie etwas näher, ich kann Sie nicht hören. So, jetzt ist es besser. Das haben Sie nicht so gemeint. Sie haben nicht sagen wollen, dass es bald eine Generation gibt, die freiwillig ganz anders mit dem Internet umgeht. Von “freiwillig” war nie die Rede.
Ach so, Herr Heveling. Jetzt habe ich Sie verstanden.