Richter müssen zwar nicht emotionslos sein, sich aber doch einigermaßen im Zaune halten. Eher schlecht gelungen ist dies einem Zivilrichter am Landgericht Hagen. Der Jurist quittierte die verspätete Vorlage eines Schriftsatzes mit den Worten, es sei schön, dass sich der Beklagtenvertreter noch am 08.05.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes, die Mühe gemacht habe, einen Schriftsatz zu fertigen und diesen zum Gericht zu bringen.
Hierauf reagierte der Anwalt des Beklagten mit einem Befangenheitsantrag, dem das Oberlandesgericht Hamm stattgab:
Bereits mit dem Hinweis, die Klageerwiderung sei noch am 08.05.2011, einem Sonntag und immerhin dem Jahrestag des Kriegsendes gefertigt worden, hat der Richter seinen (weiten) Verhaltensspielraum verlassen.
Die Herstellung eines – wie auch immer gemeinten – zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Fertigung eines Schriftsatzes im vorliegenden Rechtsstreit und dem Ende des 2. Weltkrieges, der unsäglich viel Leid hervorgerufen und Millionen Menschen das Leben gekostet hat, kann nicht mehr als ungeschickte oder auch unglückliche Formulierung verstanden, sondern muss in aller Deutlichkeit als gänzlich sachwidrige, verbale Entgleisung bezeichnet werden.
Von einem Richter kann und muss auch in der Einordnung historischer Ereignisse mehr Fingerspitzengefühl erwartet werden.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 6. Oktober 2011, Aktenzeichen I-32 W 19/11