Mein Mandant ist sicher kein Unschuldslamm, aber er kennt seine Rechte. So war ihm auch klar, dass Polizeibeamte ihn nicht einfach so zu einer Blutprobe zwingen dürfen. An einem Werktag gegen 14 Uhr muss dafür ein richterlicher Beschluss besorgt werden. Und um diese Uhrzeit wäre im zuständigen Amtsgericht einer nordrhein-westfälischen Großstadt auch ein Ermittlungsrichter im Dienst gewesen.
Die Polizisten interessierte das nicht. Sie riefen lediglich beim Staatsanwalt an, der die Blutprobe “anordnete”. Womöglich war dem Staatsanwalt nicht bekannt, dass sein Wort ebenso wenig wie das der Ordnungshüter die Entscheidung eines Richters ersetzt. Oder er leidet an Selbstüberschätzung. Jedenfalls machte er noch nicht mal den Versuch, jemanden bei Gericht zu erreichen.
Die Polizeibeamten waren offenbar ähnlich ahnungslos, denn sie setzten die Blutprobe rabiat durch. Mein Mandant wurde in eine Klinik gefahren und auf ein Bett geschnallt. Sowohl im Auto als auch im Krankenhaus wehrte er sich nach Kräften und wies immer wieder darauf hin, dass er sich kein Blut abnehmen lassen muss. Am Ende war ein gutes Dutzend Beamte eingesetzt, um ihn in Schach zu halten.
Die Blutprobe hat die Polizei schließlich von einem willfährigen Arzt gekriegt, der es ebenfalls nicht für nötig hielt, auf eine Anordnung durch den Richter zu bestehen. Am Ende war nicht nur mein Mandant übel zugerichtet, sondern auch einige Beamte. Der eine oder andere Fußtritt und Faustschlag des Beschuldigten erreichte nämlich sein Ziel.
Die Staatsanwaltschaft merkte immer noch nichts und klöppelte eine selbstbewusste Anzeige, ohne auch nur ein Wort über die offenkundigen juristischen Probleme zu verlieren. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte lautete der Vorwurf, außerdem gefährliche Körperverletzung. Die Mindeststrafe für die Körperverletzung ist ein halbes Jahr Gefängnis – es ging also schließlich um was, als die Sache vor dem Amtsgericht verhandelt wurde.
Dort saß nun eine Richterin, die offenkundig Problembewusstsein hatte. Ich merkte das gleich beim Reinkommen, dann auf dem Richtertisch lag ein Stapel mit ausgedruckten Gerichtsentscheidungen. Der Titel des obersten Urteils ging in die richtige Richtung. Er lautete “Beweisverwertungsverbot bei Blutproben im Fall grober Willkür.”
Offenbar hatte die Richterin auch schon die Staatsanwältin auf Spur gebracht. Denn schon nach kurzer Erörterung war klar, dass das gesamte Spektakel der Polizei aus Sicht der Vorsitzenden ein Schuss in den Ofen war. Sie ging nämlich nach Aktenlage nicht nur von einem schlichtweg unverständlichen Verhalten der Polizisten (und auch des Staatsanwalts) aus, sondern von nackter Willkür.
Somit war der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte schon mal kippelig. Diese Tat kann nämlich nur bestraft werden, wenn die “Diensthandlung” selbst rechtmäßig war. Die Gerichte haben diese an sich klare Aussage des Gesetzes über Jahrzehnte dahingehend zurechtgebogen, dass es nur darauf ankommt, ob der Beamte selbst an Ort und Stelle sein Verhalten für rechtmäßig hält. Tut er das, obwohl es in Wirklichkeit illegal ist, bleibt der schwarze Peter beim Bürger. Er macht sich schon dann strafbar, wenn der Beamte guten Glaubens ist.
Aber selbst das konnte man in unserem Fall nicht mehr annehmen. Entweder hat das Land bei der Ausbildung seiner Polizisten und Staatsanwälte gründlich geschlampt, oder die Beteiligten bevorzugen bei passender Gelegenheit den Durchmarsch auf rustikale Art. Es sprach fast alles für die letzte Variante, so dass mein Mandant sich also wehren durfte.
Bei der gefährlichen Körperverletzung hätte man dann noch um etliche Ecken denken müssen. Notwehr? Notstand? Angesichts des Umstandes, dass nicht mal der ständige Protest meines Mandanten ein Nachdenken bei der Truppe initiierte, war schon klar, dass sich das auch auf dieses Delikt auswirken würde. Und zwar deutlich zu Gunsten des Angeklagten.
Am Ende wollten weder das Gericht noch die Staatsanwaltschaft eine Beweisaufnahme riskieren. Wahrscheinlich auch, weil ich dann Strafantrag gegen die Polizeibeamten gestellt hätte. Mit der sicheren Folge, dass die Polizisten sich nach einigen aufklärenden Worten über ihr Verhalten sicher überlegt hätten, ob sie besser nicht vielleicht gleich die Aussage verweigern und erst mal einen Anwalt fragen.
Mein Mandant war noch wegen einer anderen, viel unbedeutenderen Sache angeklagt. Es war deshalb möglich, den Widerstand und die Körperverletzung mit Blick auf den verbleibenden Rest sang- und klanglos einzustellen. Selbst die Staatsanwaltschaft war damit einverstanden.
Am Ende stand dann eine kleine Geldstrafe wegen des weiteren Delikts.
Die als Zeugen aufmarschierten Polizisten wunderten sich zwar, warum sie nicht aussagen mussten. Die Richterin fand die sehr schöne Erklärung, wonach mein Mandant mit einem “Geständnis” eine Zeugenvernehmung überflüssig gemacht habe. Dass sich das Geständnis nur auf die Nebensache bezog, musste sie ja nicht erwähnen.
Was mich jetzt nur wurmt ist der Umstand, dass gerade die Polizisten wohl gar nicht erfahren, welche Note ihnen das Gericht für ihre Arbeit gegeben hat. Was durchaus bedeuten kann, dass sie munter so weitermachen wie bisher.