Eine Kündigung ist unwirksam, wenn sie wegen der Eheschließung des Arbeitnehmers mit einer Chinesin ausgesprochen wird. Die Kündigung hält nicht das notwendige „ethische Minimum“ ein und ist sittenwidrig, zumindest wenn der Arbeitgeber schon vor der Einstellung von der Beziehung wusste. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden.
Der 47-jährige Kläger ist Ingenieur. Er war seit Mai 2006 als Leiharbeitnehmer bei der Firma eingesetzt, die auch die Bundeswehr beliefert. Seit 2007 fuhr er regelmäßig nach China zu seiner dort lebenden heutigen Ehefrau. Vorher kontaktierte er jedes Mal die Sicherheitsbeauftragte der Firma, die zu keinem Zeitpunkt Bedenken äußerte. Ende 2009 bot die Arbeitgeberin dem Mann eine Festanstellung an.
Wegen der für Dezember 2009 in China geplanten Hochzeit sollte das Arbeitsverhältnis am 1. Februar 2010 beginnen. Schon am 5. März stellte die Arbeitgeberin den abgeworbenen Ingenieur unvermittelt frei. Begründung: Er sei durch seine Ehefrau und die familiären Beziehungen zu China ein Sicherheitsrisiko. Kurz danach stellte sie einen anderen Ingenieur ein, um den Kläger zu ersetzen. Dem Betriebsrat gelang es in der Folgezeit nicht, die Freistellung rückgängig zu machen und die Kündigung zu verhindern. Im Juni, rechtzeitig bevor das Kündigungsschutzgesetz nach sechs Monaten Anstellung Anwendung fand, kam die Kündigung. Sie war nunmehr auf “betriebsbedingte Gründe” gestützt.
Das Arbeitsgericht hat in erster Instanz die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass keine Gesetzesverstöße vorlägen. Die Arbeitgeberin habe subjektiv an Befürchtungen einer möglichen Industriespionage angeknüpft. Das reiche als Rechtfertigung für diese Kündigung aus.
Das sah das Landesarbeitsgericht anders. Die Kündigung sei treu- und sittenwidrig. Die Arbeitgeberin habe unter Verletzung des Grundrechtes der Eheschließungsfreiheit ihr Kündigungsrecht für eine willkürliche Vorgehensweise missbraucht. Weil sie den Kläger in Kenntnis der familiären Bedingungen gezielt abgeworben habe und sich in Bezug auf seinen Arbeitsplatz und seine Tätigkeit nichts geändert habe, sei die plötzliche Einordnung als Sicherheitsrisiko, für die keine konkreten Fakten genannt wurden, willkürlich.
Der Kläger sei nur durch eine andere Arbeitskraft ausgetauscht worden. Der Kündigungsentschluss habe schon bei der Freistellung bestanden, was der Betriebsrat auch bestätigt habe. Der angeführte betriebsbedingte Kündigungsgrund sei daher nur vorgeschoben. Die Kündigung verstoße gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“. Die Beklagte habe den Kläger willkürlich zu ihrem Spielball gemacht.
Das Arbeitsverhältnis ist schließlich vor dem Landesarbeitsgericht auf Antrag des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung von sieben Monatsgehältern aufgelöst worden.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 22.06.2011, Aktenzeichen 3 Sa 95/11