Zerstochene Reifen sind eine ärgerliche Sache. Sicher auch für Leute, die auf dem Wagenheck den Aufkleber “Eure Armut kotzt mich an” spazieren fahren. Nun ja, nach einigen Vorfällen dieser Art griffen die Betroffenen, die ihren Wohlstand so offen demonstrierten, zur Selbsthilfe. Sie knibbelten nicht den Aufkleber ab, sondern installierten eine Videokamera, welche die Wohnstraße überwachte.
Ein Ergebnis stellte sich auch prompt ein. Und zwar in Form einer wmv-Datei, welche die Geschädigten stolz zur Polizeiwache trugen. Der Beamte schrieb in die Anzeige, auf dem Band sei eindeutig der Nachbar Herr N. zu sehen.
Vermutlich meinte er, “nach Angaben der Anzeigenerstatter ist eindeutig Herr. N. zu erkennen”. Das in der Nacht aufgenommene Video selbst zeigt nämlich nur etwas, was schemenmäßig als Auto zu erkennen ist. Und eine verwaschene, dunkel gekleidete Figur. Diese Person geht zwar zu den beiden Vorderreifen und drückt etwas gegen die Pneus. Aber in keinem Augenblick ist das Gesicht zu sehen. Nicht mal der Haarschnitt ist auszumachen.
Ich kann es deshalb gut nachvollziehen, wenn Herr N., mein Mandant, ziemlich sauer über den Vorwurf ist. Er räumt gerne ein, mit den Betreffenden nicht das beste Verhältnis zu haben. Aber so gehe es noch einigen anderen in der Umgebung. Der Aufkleber, so Herr N. sei für die herzliche Abneigung noch der geringste Anlass. Trotzdem seien solche Aktionen nun gar nicht seine Sache.
Ob Herr N. es war oder die Nachbarn nur gerne möchten, dass er es war, werden wir wohl nie erfahren. Ich wage die Prognose: Bei so mickriger Qualität wird es auch nichts bringen, das Video – auf Kosten des Steuerzahlers – aufbereiten zu lassen. Wenn man nicht ohnehin gleich ein Verwertungsverbot annimmt, weil die heimliche Beobachtung des öffentlichen Raums verboten ist. (Was den Anzeigenerstattern auch noch eine Anzeige beim Landesdatenschutzbeauftragten einbringen könnte.)
Aus den Metadaten der Aufnahme habe ich aber mal ermittelt, was für eine Webcam im Einsatz war. Ein Billigmodell für 15 Euro; so was war neulich bei real im Angebot. Ich weiß nicht, inwieweit Wohlstand und Geiz in der betreffenden Familie korrelieren. Im konkreten Fall wurde aber eindeutig am falschen Ende gespart.