Häftlingen in nordrhein-westfälischen Gefängnissen droht die Isolation, wenn sie sich nicht schriftlich zu ihrer HIV-Infektion oder AIDS-Erkrankung bekennen. In der Diskussion zu dieser umstrittenen Regelung rudert Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) jetzt zurück: „Diese Praxis ist nach Jahren 23 Jahren zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen“, sagte Kutschaty gestern im Landtag.
Bislang müssen Häftlinge ihre Krankheit schriftlich offenbaren, wenn sie etwa Kontakt zu Zellennachbarn haben wollen – die wiederum müssen sich schriftlich einverstanden erklären. Diese Verwaltungshaltung samt der Vorschriften werden heftig von der deutschen AIDS-Hilfe kritisiert. Auch die FDP-Fraktion hat zunächst mit einer Anfrage ans Ministerium, kürzlich außerdem mit einem Antrag im Landtag auf dieses „Zwangsouting“ reagiert.
Der Justiziminister verteidigte im Parlament zunächst seine Haltung. Die Inhaftierten seien über Nacht oder beim Kontakt zu Nachbarn „für mehrere Stunden in enger räumlicher Gemeinschaft in verschlossenen Hafträumen untergebracht“. Dabei sei erstens eine ununterbrochene Beaufsichtigung nicht gewährleistet, und zweitens seien Aktivitäten möglich, „die grundsätzlich geeignet sind, Infektionen zu übertragen“.
Als Beispiele nannte Kutschaty Tätowieren und ungeschützte Sexualkontakte. In solchen Fällen habe das Recht infizierter Häftlinge auf „informationelle Selbstbestimmung“ (Datenschutz) klare Grenzen – die etwa der Gesundheitsvorsorge anderer Gefangener.
Dennoch sagt der Justizminister zu, die geltenden Regelungen zu überprüfen. Er kommt damit den Forderungen der AIDS-Hilfe und der FDP-Fraktion entgegen. Beide Seiten behaupten, einzig in Nordrhein-Westfalen werde das „Zwangsouting“ praktiziert. Deswegen will Kutschaty erfragen, wie es andere Bundesländer halten. Nach einer entsprechenden Auswertung sei dann wohl neu zu entscheiden. (pbd)