Ich wollte bei der Geschäftsstelle eines Gerichts nach der Durchwahl des Richters fragen. Um ihn persönlich zu bitten, eine am nächsten Tag auslaufende Frist um einige Tage zu verlängern. Eine Kleinigkeit. Mit der Dame, die auf der Geschäftsstelle die Stellung hielt, entspann sich folgender Dialog:
Können Sie mir bitte die Durchwahl von Herrn Milde geben?
Das kann ich schon, aber ich muss Sie warnen.
Ist er nicht da? Oder schwer erreichbar?
Nein, er spricht nur äußerst ungern mit Leuten wie Ihnen. Also Anwälten. Und mit normalen Parteien spricht er schon gar nicht.
Ich will ja gar nicht groß mit ihm sprechen. Es geht nur um eine Fristverlängerung. Die Frist läuft morgen aus. Ich bräuchte noch ein paar Tage, weil mein Mandant im Urlaub war und das Schreiben erst relativ spät bekommen hat.
Also, über so was spricht Herr Milde nun gar nicht. Der knallt den Hörer auf, wenn Sie mit so was kommen.
Okay, dann sollte ich vielleicht ein Fax schicken.
Ja, aber dann müssen Sie damit rechnen, dass er die Fristverlängerung ablehnt. Fristen verlängern macht er sehr ungern.
Macht er überhaupt was gern?
Er ist Schatzmeister im Segelclub.
Okay, dann mache ich den Schriftsatz wohl besser fertig. So einen Scheiß erspare ich mir lieber. Aber mal am Rande: Was ist das eigentlich für ein Richter? Geht der bald in Rente? Ich bin ja öfter an Ihrem Gericht, aber Herr Milde ist mir gar kein Begriff. Normalerweise muss einen das Beamtenleben ja sehr gebeutelt haben, um so griesgrämig zu werden.
Sie wären überrascht. Das ist ein ganz junger Kerl, kommt frisch aus der Ausbildung. Aber ich kann Sie trösten, mit uns springt der nicht besser um.
Dann mal herzliches Beileid, wenn Sie das jeden Tag mitmachen müssen.
Danke, das habe ich verdient. Ich lasse aber auch nicht alles mit mir machen, bin ja nur die Vertretung. Die eigentlich zuständige Kollegin ist seit anderthalb Monaten krank…