War der spektakuläre und schlagzeilenträchtige Freispruch für einen Temposünder kürzlich nur Eigennutz? In diesen Verdacht hat sich der Vorsitzende des 3. Senats beim Oberlandesgericht Düsseldorf gebracht. Er hatte, wie berichtet, Anfang des Jahres 2010 per Beschluss einen Autofahrer vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung rechtskräftig freigesprochen – doch der Richter soll nach aktuellen Informationen selbst Verkehrssünder, womöglich sogar ein Raser sein. Nun steht die Frage im Raum, ob und inwieweit der Jurist von seiner eigenen Situation beeinflusst war.
Er war beispielsweise Anfang August vorigen Jahres am Rand des Düsseldorfer Stadtteils Heerdt am frühend Abend mit überhöhtem Tempo von einem Polizebeamten ertappt und auch angezeigt worden. Ein ähnlicher Vorwurf liegt momentan beim Amtsgericht Erkelenz.
Der Jurist hat formal seine vom Grundgesetz geschützte Position der richterlichen Unabhängigkeit genutzt. Er hat eine Klausel in seinen Freispruchbeschluss eingeflochten, die helfen kann, ihn und seine Taten bei den unteren Instanzen der Amtsgerichte in Düsseldorf und Erkelenz zu schützen. Überdies soll der Richter eine Kopie seines Beschlusses an den für ihn zuständigen Amtsrichter in Erkelenz gesandt haben – mit geschwärzter Unterschrift.
Die Fakten: Außerhalb einer „geschlossenen Ortschaft“ wurde der Senatsvorsitzende am 5. August 2009 gegen 17.42 Uhr im Auto mit Hilfe eines Radarmessgeräts Multanova ertappt; mit 36 Kilometer pro Stunde zu viel. Die Ordnungsbehörde will deshalb 204 Euro Bußgekd kassieren und dem Richter drei Punkte in der Flensburger Sünderkartei ankreiden.
Dagegen hat er Einspruch erhoben. Aber, wie es der Zufall will, hat er in einem verwandten Fall (AZ: IV-3 RBs 8/10) vor fast zwei Monaten mit dem inzwischen abgeschafften Überwachungsystem „Vibram“ als zur Entscheidung berufener Richter betont: „Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung der Frage, ob die hier vom Senat herausgestellten Grundsätze auch für Videoüberwachungen und –aufzeichnungen aus fahrenden Überwachungsfahrzeugen sowie für ortsfeste und mobile Radaroder Laserüberwachungsmaßnahmen gelten. Indessen dürfte die Fragestellung auch in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung sein.“
Dieser verklausulierte Satz bedeutet könnte auch bedeuten: Richter der unteren Instanzen, beachtet meine Rechtsauffassung gefälligst bei meinen Taten, sprecht mich frei.
Ob es so kommt, wird wohl morgen vom Amtsgericht Düsseldorf entschieden (Aktenzeichen 320 OWi 483/09). Der OLG-Richter hat allerdings durch seine Verteidigerin eine Verlegung des Termins beantragt. Vermutlich nicht ohne Grund: Er hat schon Punkte in Flensburg gesammelt, dem Vernehmen nach auch nicht wenige. Ab 14 Punkten muss er zur Nachschulung, ab 18 Punkten ist die Fahrerlaubnis weg.
Der für den Senatsvorsitzenden zuständige Amtsrichter gilt als streng und erfahren. Seit vier Jahren hat er jährlich bis zu 600 solcher Verfahren bearbeitet – und ebenfalls im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit entschieden. Vor dem Gesetz, so heißt es im Grundgesetz sind alle Menschen gleich. Womöglich wird es kein angenehmer Termin für den Richter vom Oberlandesgericht. (pbd)